Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Das Wissen des Verwalters kann den einzelnen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche als eigene Kenntnis nur zugerechnet werden, wenn es sich um gemeinschaftsbezogene Ansprüche handelt oder wenn die Gemeinschaft Ansprüche der Wohnungseigentümer an sich gezogen hat. Im letzteren Fall wirkt die Zurechnung der Kenntnis des Verwalters nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zurück.

BGH, Urteil vom 04.07.2014, V ZR 183/13

Sachverhalt

Am 22.07.2005 nahm die Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine Begehung des Grundstücks vor und stellte fest, dass dort eine Betonfläche als Grundlage einer Terrasse durch einen Miteigentümer angelegt worden war, zu deren Vollendung es letztlich nicht kam. Am 11.05.2009 fassten die Wohnungseigentümer hierzu mehrheitlich den bestandskräftigen Beschluss, dass die Betonfläche zu beseitigen sei und der verantwortliche Miteigentümer sie auf eigene Kosten zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen habe. Nachdem der in Anspruch genommene Eigentümer sich unter Berufung auf die Einrede der Verjährung weigerte, die Betonfläche zu beseitigen, erhob die Verwalterin namens der WEG am 31.12.2009 Klage. Das Amtsgericht hat die Klage wegen der erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision zum Bundesgerichtshof.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gibt der Klägerin Recht und hebt das Urteil des Landgerichts Dortmund auf. Er stellt fest, dass der Anspruch nicht verjährt ist. Der Anspruch auf Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG unterliegt der Regelverjährung gemäß § 195 BGB von drei Jahren ab Kenntniserlangung. Der in Anspruch genommene Eigentümer argumentiert, die Verwalterin habe bei der Begehung am 22.07.2005 Kenntnis von der Betonfläche erlangt und ihr Wissen müsse der Eigentümergemeinschaft zugerechnet werden, so dass die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2008 eingetreten sei. Die erst am 31.12.2009 erhobene Klage sei verspätet und hemme die Verjährung nicht mehr. Dieser Auffassung des in Anspruch genommenen Eigentümers widerspricht der BGH. Er führt aus, es sei zu differenzieren zwischen Ansprüchen der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband und den Individualansprüchen der einzelnen Wohnungseigentümer. Originäre Gemeinschaftsaufgabe sei nur die Durchsetzung von Individualansprüchen bei gemeinschaftsbezogenen Rechten (§ 10 Abs. 6 S. 3, 1. Var. WEG, sog. „geborene“ gemeinschaftliche Rechte). Bezüglich dieser Rechte hat sich die WEG das Wissen des Verwalters zuzurechnen. Die Durchsetzung anderer Rechte werde hingegen nur dann Gemeinschaftsaufgabe, wenn die Rechte gemeinschaftlich geltend gemacht werden können und die Gemeinschaft solche Ansprüche per Beschluss an sich ziehe (§ 10 Abs. 6 S. 3, 2. Var. WEG, sog. „gekorene“ gemeinschaftliche Rechte). Vorliegend liege, so der BGH, der letztere Fall vor. Aufgrund der im Wege der Beschlussfassung herbeigeführten „Vergemeinschaft“ der an sich gezogenen Individualansprüche müssen sich die Eigentümer das Wissen des Verwalters ebenfalls zurechnen lassen, diese Zurechnung wirke allerdings nicht auf den Zeitpunkt zurück, zu dem der Verwalter von dem Umstand Kenntnis erlangt hat, sondern wirke erst mit der Fassung des Vergemeinschaftungsbeschlusses, so dass die regelmäßige Verjährungsfrist erst ab dem Zeitpunkt des Beschlusses zu laufen beginnt. Die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG seien gekorene Gemeinschaftsangelegenheiten, deren Durchsetzung erst dadurch zur Gemeinschaftsaufgabe werde, dass der Verband sie durch Beschluss an sich ziehe. Damit hätten die Wohnungseigentümer zurechenbares Wissen erst mit Beschluss vom 11.05.2009 erlangt und die Ansprüche konnten frühestens mit Ablauf des Jahres 2012 verjähren, weshalb die Klagerhebung am 31.12.2009 die Verjährung rechtzeitig gehemmt habe.

Fazit

Die Entscheidung ist richtig. Solange einzelne Individualansprüche der einzelnen Eigentümer nicht durch Beschluss auf den Verband übertragen worden sind, kann die Kenntnis des Verwalters den einzelnen Eigentümern nicht zugerechnet werden, da zwischen diesen keine Sonderrechtsverbindung besteht, sondern nur zwischen dem Verwalter und den Eigentümern in Bezug auf die gemeinschaftsbezogenen Aufgaben und Ansprüche. Die reinen Individualansprüche sind hiervon nicht umfasst. Dies gilt nur solange der Verband die Ansprüche nicht an sich gezogen hat, so dass bei einem entsprechenden Beschluss die Kenntnis des Verwalters zugerechnet werden muss, da vor Fassung dieses Beschlusses sich der Verwalter um die Individualansprüche der einzelnen Eigentümer nicht kümmern musste und daher sein Wissen erst ab Beschlussfassung mit den Eigentümern teilen musste.

Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner