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„Berechtigtes Interesse“ an Kündigung bei beabsichtigter gewerblicher oder (frei-)beruflicher Tätigkeit in den Mieträumen

BGH, Urteil vom 29.03.2017; VIII ZR 45/16

Sachverhalt

Die Klägerin erwirbt im Rahmen einer Zwangsversteigerung eine Erdgeschosswohnung und ist als Vermieterin in den Mietvertrag eingetreten. Im ersten Geschoss desselben Gebäudes betreibt ihr Ehemann ein Beratungsunternehmen. Im Juni 2013 kündigt die Klägerin das seit 1977 bestehende Mietverhältnis zum beklagten Mieter. Zur Begründung führt sie aus, ihr Ehemann benötige die Wohnung zur Erweiterung seines Gewerbebetriebs, um diesen um einen Arbeitsplatz und ein Archiv zu vergrößern. Die Vorinstanzen bejahen zwar das Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 573 Abs. 2 BGB, weisen die Klage jedoch wegen fehlender Zweckentfremdungsgenehmigung durch die geplante gewerbliche Nutzung ab.

Entscheidung des BGH

Die Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nur im Ergebnis stand. Ob ein berechtigtes Interesse vorliegt, könne nicht verallgemeinernd betrachtet werden, sondern müsse jeweils im Einzelfall unter Abwägung der beiderseitig grundrechtlich geschützten Interessen entschieden werden. Im vorliegenden Fall sei entscheidungsbegründend, dass der Nutzungszweck eine größere Nähe zu dem Tatbestand der Verwertungskündigung aufweise, weswegen – da der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen von seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden solle – weitere Umstände hinzutreten müssten, um den Vermieterinteressen den Vorzug geben zu können. Es sei erforderlich, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstelle, auch wenn nicht der Grad von erheblichen Einbußen i. S. v. § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erreicht werden müsse. Die von der Klägerin angeführten Gründe rechtfertigen es im vorliegenden Fall nicht, den Beklagten aus seinem durch Art. 14 Abs.1 S.1 GG geschützten persönlichen Lebensmittelpunkt zu verdrängen.

Praxishinweis

Der BGH weist darauf hin, dass § 573 Abs. 2 BGB bereits die typischen Fälle einer ordnungsgemäßen Kündigung abdeckt. Aus diesem Grund müssen für eine Kündigung aus anderen Motiven gewichtige Gründe hinzukommen. Vorliegend hätte die klagende Vermieterin beispielsweise darlegen können, dass eine Ausübung der geschäftlichen Tätigkeit ihres Ehemannes in anderen Räumen aufgrund dort zu entrichtender hoher Gewerberaummieten nicht rentabel und damit wirtschaftlich wäre.

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