Allgemeines Immobilienrecht Newsletter

Beratungsverträge beim Vertrieb von Immobilien

Zwischen dem Verkäufer und dem Käufer kommt ein Beratungsvertrag zustande, wenn
der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen, insbesondere auf
Befragen, einen ausdrücklichen Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer dem
Käufer als Ergebnis der Verhandlungen ein Berechnungsbeispiel über Kosten und
finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt. Erfolgt die Beratung durch einen vom
Verkäufer bevollmächtigten Vermittler, kann dieser zugleich im eigenen und im
fremden Namen handeln. Der Vermittler kann im eigenen Namen eine Beratung des
Kaufinteressenten vornehmen und mit ihm einen eigenständigen Beratungsvertrag
abschließen. Ein solcher Vertragsschluss hindert nicht die Annahme eines auch im
Namen der Verkäuferin geschlossenen Beratungsvertrages.

BGH, Urteil 25.10.2013, Az. V ZR 9/13

Sachverhalt

Der Kläger hat eine Eigentumswohnung in einem mit einem Prospekt beworbenen
denkmalgeschützten Anwesen erworben. Der Kaufvertrag war durch die von der beklagten
Verkäuferin beauftragte Vermittlerin herbeigeführt. Der Kläger hatte mit dieser einen
Vermittlungsvertrag geschlossen und war darauf hingewiesen, dass die Vermittlerin ihre
Provision ausschließlich von der beklagten Verkäuferin erhalte. Grundlage des
Vermittlungsgesprächs war eine „vorläufige Berechnung für das erste volle Vermietungsjahr“, in
der anhand der Finanzierungszinsen, Verwaltungskosten, Steuervorteile und Mieteinnahmen der
monatliche Aufwand des Klägers bei einem zu 100 % fremdfinanzierten Erwerb der Wohnung
dargestellt wurde. Einen Hinweis darauf, dass die der Berechnung zugrunde gelegte besondere
steuerliche Förderung nach zwölf Jahren auslaufe, hatte der Vermittler nicht gegeben. Das
Kammergericht hat die beklagte Verkäuferin zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug
gegen Rückübertragung der Wohnung verurteilt und festgestellt, dass sie zum Ausgleich des
weiteren Vermögensschadens verpflichtet sei.

Entscheidung

Der BGH weist die Revision gegen dieses Urteil zurück und führt aus, dass nach seiner
Rechtsprechung ein Beratungsvertrag zwischen dem Käufer und dem Verkäufer zustande
kommt, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen insbesondere auf
Befragen einen ausdrücklich Rat erteilt. Gleiches gilt, wenn der Verkäufer als Ergebnis der
Verhandlungen dem Käufer ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile vorlegt,
welches der Herbeiführung des Geschäftsabschlusses dienen soll. Da dem Kläger eine solche
Berechnung vorgelegt wurde, hat die Beklagte damit über ihre Rolle als Verkäuferin hinaus eine
eigenständige, vom beabsichtigten Kaufvertrag losgelöste Beratung übernommen. Die
Vermittlerin hat die Beklagte wirksam gemäß §§ 164, 167 BGB vertreten. An die Annahme einer
stillschweigenden Bevollmächtigung sind, wenn der Verkäufer die Beratung des
Kaufinteressenten einem Vermittler überträgt, keine zu strengen Anforderungen zu stellen, wenn
der Käufer dem Vermittler seinerseits keinen Maklerauftrag erteilt. Es reicht dann aus, dass die
individuelle Beratung des Kaufinteressenten eine wesentliche Voraussetzung für den
erfolgreichen Abschluss der Verkaufsbemühungen war. Unmittelbare Rechtsbeziehungen
zwischen dem Vermittler und dem Kaufinteressenten hindern nicht die Annahme eines kraft
konkludent erteilter Vollmacht zustande gekommenen Beratungsvertrages mit dem Verkäufer.
Hat der Verkäufer den Vermittler mit dem Vertrieb der Immobilie beauftragt und wusste er oder
konnte er nicht ausschließen, dass dieser gegenüber einem Interessenten die finanziellen
Vorteile eines Kaufs herausstellen würde, kann dies ausreichend für die Annahme einer
konkludenten Bevollmächtigung des Vermittlers zum Abschluss eines Beratungsvertrages sein.
Davon ist nach dem BGH insbesondere dann auszugehen, wenn sich bereits nach dem
Vertriebskonzept der Verkäufer die Aufgabe stellt, den Käufer über die finanziellen Vorteile eines
Erwerbs der Immobilie zu beraten. Es kann demgemäß sowohl zu einem Beratungsvertrag
zwischen Vermittler und Käufer wie auch zu einem Beratungsvertrag zwischen Käufer und
Verkäufer kommen. Dass der Vermittler vorliegend im Namen des beklagten Verkäufers tätig
wurde, folgt für den BGH daraus, dass bis zur Abgabe des notariellen Kaufangebots die Beklagte
dem Kläger gegenüber nicht in Erscheinung getreten ist.
Da die Beratung schuldhaft falsch war, muss die Beklagte diese gegen sich gelten lassen.
Das Berechnungsbeispiel des Vermittlers beschränkte sich auf das erste Vermietungsjahr. Weil
aber gerade die steuerliche Förderung einen Anreiz zum Erwerb bildete, hätte der Vermittler
darauf hinweisen müssen, dass der Steuervorteil spätestens nach zwölf Jahren wegfalle. Die
Kausalität des Beratungsfehlers für den Kaufentschluss ist zu vermuten, da vorliegend weder der
Kläger noch seine Ehefrau über ein Einkommen verfügten, das bei Wegfall des Steuervorteils
ihnen den Erwerb des zu 100 % fremdfinanzierten Eigentumswohnung erlaubte.

Fazit

Schon in seiner Entscheidung vom 1.03.2013 hat der BGH die Verdoppelung von
Vertragsverhältnissen insoweit bejaht, als der Vermittler bei der Beratung eines
Immobilienkäufers zugleich im eigenen und im fremden Namen (d.h. im Namen des Verkäufers)
handeln kann. Der Vermittler kann mithin vom Verkäufer zum Abschluss eines
Beratungsvertrages stillschweigend bevollmächtigt sein, auch wenn er seinerseits mit dem
Kaufinteressenten einen Vermittlungsberatungsvertrag geschlossen hat. Als Indiz für die
Bevollmächtigung seitens des Käufers wertet der BGH den Umstand, dass der Verkäufer die mit
dem Vertrieb beauftragten Vermittlungen die Vertragsverhandlungen bis zur Abschlussreife
überlassen und selbst auf einen Kontakt mit dem Kaufinteressenten verzichtet hat.

Offen bleibt, ob der Verkäufer diese für ihn weitgehende Haftung ausschließen kann. Der BGH
hatte in seiner Entscheidung vom 2.06.1995 dem Verkäufer die Möglichkeit zugestanden, sich
von vorvertraglichen Erklärungen eines Maklers gegenüber dem Käufer zu distanzieren. Soweit
der Verkäufer vor Beendigung der notariellen Beurkundung unmissverständlich erklärt, dass
Gegenstand des Kaufvertrages nur die von ihm persönlich im Rahmen der Protokollierung
abgegebenen Erklärungen seien, soll der Verkäufer ein Verschulden des Maklers nicht gemäß §
278 BGH wie eigenes Verschulden zu vertreten haben. Ob eine solche Distanzierung auch für den
vorliegend bejahten Beratungsvertrag erfolgen kann und Geltung hat, kann jedoch in Frage
stehen.

Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner