Newsletter Wohnraummietrecht

Außerordentliche Wohnraumkündigung nach Wegfall eines Leistungsverwei­gerungsrechts

Wird eine Klage auf Zahlung von Miete ganz oder teilweise mit der Begründung abgewiesen, die Miete sei aufgrund von Mängeln gemindert, erwachsen – als bloße Vorfragen – weder die Ausführungen zum Bestehen von Mängeln noch die vom Gericht angesetzten Minderungs­quoten in Rechtskraft.

Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Handwerker zu dulden, ist er ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu einer weiteren Minderung nicht mehr berechtigt und ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht ent­fällt in der Weise, dass einbehaltene Beträge sofort nachzuzahlen sind und von den ab diesem Zeitpunkt fälligen Mieten ein Einbehalt nicht mehr zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter die Mangelbeseitigung unter Berufung darauf verweigert, dass er im Hinblick auf einen anhängigen Rechtsstreit über rückständige Miete den bestehenden mangelhaften Zustand aus Gründen der „Beweissicherung“ erhalten will.

BGH, Urteil vom 10.04.2019; VIII ZR 12/18

Sachverhalt

Die Beklagten waren seit 1998 Mieter einer Wohnung in Dresden. Bis Juni 2014 waren zwei Rechtsvorgänger der Klägerin Vermieter der Wohnung. Diese hatten gegen die Beklagten bereits Rechtsstreite wegen Zahlungsrückständen, die durch die Minderung der Miete auf­grund von Mängeln entstanden waren, geführt. Die Klägerin wurde am 10.06.2014 neue Eigentümerin der Wohnung. Von März 2014 bis Mai 2017 leisteten die Beklagten wegen Män­geln der Mietsache anstelle der Gesamtmiete in Höhe von 785,00 € nur einen geminderten monatlichen Mietzins in Höhe von 253,43 € und beriefen sich darüber hinaus auf ihr Zurück­behaltungsrecht. Im Dezember 2015 erklärte die Klägerin erstmals die außerordentliche frist­lose Kündigung wegen Zahlungsverzuges seit März 2014 und nahm die Beklagten auf Räumung in Anspruch. Sie sprach in den verschiedenen Instanzen weitere fristlose Kündi­gungen wegen Zahlungsverzuges aus. In erster Instanz vor dem AG Dresden lehnten die Beklagten im März 2016 eine Mängelbeseitigung mit dem Verweis darauf ab, das Beweisver­fahren in einem mit einer Rechtsvorgängerin der Klägerin geführten Rechtsstreit dauere noch an und die Beseitigung der Mängel käme einer „Vernichtung von Beweissachverhalten“ gleich.

Das AG Dresden hat der Klage auf Räumung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG Dresden die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Der BGH entschied, dass das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Räumung der Wohnung zu Unrecht verneint hat. 

Es habe verkannt, dass von der materiellen Rechtskraft der Vorverfahren weder die dort angenommenen Mängel noch die Mietminderungsquoten erfasst würden, weil Gegenstand beider Klagen nicht die Feststellung von Mängeln gewesen sei, sondern die Zahlung rück­ständiger Miete. Die Rechtskraft sei auf den unmittelbaren Streitgegenstand, also auf die Rechtsfolge Zahlung, beschränkt.

Die Räumungsklage sei gem. § 543 Abs. 1 S. 1 BGB begründet, weil die fristlose Kündigung vom 27.07.2016 wegen eines Zahlungsrückstandes aus dem Zeitraum seit März 2014 in Höhe von 4.935,40 € berechtigt gewesen sei.

Aufgrund der Weigerung der Beklagten aus März 2016, eine Mangelbeseitigung zu dulden, sei das zuvor bestehende Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen und die Beklagten seien zur sofortigen Nachzahlung des einbehaltenen Betrags verpflichtet gewesen. Es widerspreche dem Zweck des Leistungsverweigerungsrechtes nach § 320 BGB, wenn der Gläubiger einerseits Druck auf den Schuldner ausübe, um diesen zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten anzuhalten, er andererseits aber dem Schuldner die Erfüllung dieser Pflichten nicht ermögliche, indem er diese in Gestalt der Mängelbeseitigung ablehne. Dies gelte auch dann, wenn der Mieter den mangelhaften Zustand wegen der Beweisführung in einem anderen Rechtsstreit erhalten wolle, weil er eine Beweissicherung durch andere Mittel zuvor hätte vornehmen können.

Fazit

Die Entscheidung des BGH stellt klar, dass der Mieter sein Zurückbehaltungsrecht verliert, wenn er eine Mangelbeseitigung durch den Vermieter ablehnt. In diesem Fall ist der Mieter besser damit beraten, den zurückbehaltenen Betrag sofort an den Vermieter zu leisten, soweit dieser eine Höhe erreicht, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Anderenfalls setzt sich der Mieter einer berechtigten fristlosen und fristgerechten Kündigung aus.

Für etwaige für erforderlich gehaltene Beweissicherungen stehen sowohl dem Vermieter als auch dem Mieter das selbstständige Beweisverfahren oder – wie in der vorliegenden Ent­scheidung vom BGH erwähnt – das Anfertigen von Lichtbildern sowie die Benennung von Zeugen mit Kenntnis der Mängel zur Verfügung.

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