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Auch länger andauernde Verhandlungen beim Grundstücksverkauf können jederzeit abgebrochen werden

  1. Auch nach länger andauernden Vertragsverhandlungen über einen Grundstückskaufvertrag kann sich ein Verhandlungspartner grundsätzlich ohne Nachteile von den Verhandlungen zurückziehen. Macht der andere Vertragsteil im Hinblick auf einen erhofften Vertrags­schluss Aufwendungen, dann trägt er selbst die damit verbundenen Risiken.
  2. Die Eigenverantwortung für die Beschaffung notwendiger Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko stellt einen zentralen Vertrauensaspekt dar, der auch bei der Beur­teilung von Informationspflichten zu beachten ist. In einer Marktwirtschaft ist im Grundsatz jede Seite selbst dafür verantwortlich, sich über die Marktverhältnisse zu informieren und sich vertragsrelevante Informationen zu verschaffen. Eine allgemeine Rechtspflicht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensent­schließung beeinflussen können, besteht nicht.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2019; 24 U 21/19

Sachverhalt

Der klagende Bauunternehmer, der eigene und fremde Grundstücke bebaut und vermarktet erfuhr über einen Makler von der Verkaufsabsicht des beklagten Grundstückseigentümers. Auf dem Grundstück befindet sich eine nicht eingetragene, unterirdisch verlaufende Wasser­leitung. Zum Nachbargrundstück besteht eine sanierungsbedürftige Giebelwand, die Gegen­stand eines selbstständigen Beweisverfahrens war. Der Kläger plante die Errichtung eines Gebäudes mit sechs Wohnungen und stellte über den vom Beklagten eingeschalteten Makler das Projekt ins Internet. Der Kläger schloss weiterhin einen Berater- und Planungsvertrag mit einem Zeugen S. ab, mit einem Entgelt von 15.000,00 € für die Vertragsgestaltung und Ver­marktung des Objekts. Dabei ergab sich, dass der vom Beklagten geforderte Kaufpreis wirt­schaftlich nicht angemessen war. Da keine Einigung über den Kaufpreis erzielt wurde, wurden die Verhandlungen abgebrochen.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihn erst, nachdem er, der Kläger, die Kosten für die Planung aufgegeben habe, darüber informiert, dass eine unterirdische Wasserleitung sich auf dem Grundstück und eine schadhafte Giebelwand befinde. Hätte er hiervon Kenntnis gehabt, hätte er die Planung nicht in Auftrag gegeben. Der Kläger verlangte vom Beklagten wegen Verletzung der Aufklärungspflichten 39.000,00 €. Das Landgericht gibt der Klage statt.

Entscheidung

Die Berufung des Beklagten führt zur Abweisung der Klage. Nach Auffassung des OLG Düssel­dorf scheitert der Anspruch bereits daran, dass der Kaufvertrag nicht zustande gekommen ist, und dass es grundsätzlich das gute Recht eines jeden an Vertragsverhandlungen Beteiligten ist, vom Vertragsschluss Abstand zu nehmen. Macht jemand in der Hoffnung, der Vertrag werde zustande kommen, Aufwendungen, begründet dies, selbst wenn der andere Teil von diesen Aufwendungen weiß, keine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss. Der zukünftige Vertragspartner muss auch nicht ungefragt auf vertragsrelevante Umstände hin­weisen, von denen er annehmen kann, dass nach ihnen gefragt wird, falls sie von Bedeutung sind. Jeder Vertragspartner muss sich die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten beschaffen. Anderes kann gelten, wenn der eine Teil durch sein Verhalten im anderen Teil das berechtigte Vertrauen erweckt, dass es mit Sicherheit zum Abschluss des Vertrages kommen werde oder auch den potentiellen Vertragspartner zu Maßnahmen ermuntert, die nur bei einem Zustandekommen des Vertrages sinnvoll sind. Bei notariell zu beurkundenden Verträgen ist im Übrigen besondere Vorsicht bei der Prüfung einer vorvertraglichen Haftung gegeben. Denn würde eine Verpflichtung zum Ersatz des Vertrau­ensschadens ohne Weiteres bejaht werden, könnte dies einen indirekten Zwang zum Ver­tragsschluss begründen. Ein solcher Zwang läuft jedoch dem Zweck der Formvorschrift des § 313b BGB zuwider. Bei Grundstücksgeschäften soll deshalb nur eine vorsätzliche Treupflicht­verletzung Grundlage eines Schadensersatzanspruches sein.

Fazit

Beim Grundstückskaufvertrag liegen die wegen des mit dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung bezweckten Übereilungsschutzes die Voraussetzungen für die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes besonders hoch. Wird beispielsweise eine in Wahrheit nicht vorhan­dene Abschlussbereitschaft vorgetäuscht oder entfällt eine zunächst vorhandene Abschluss­bereitschaft und wird dies nicht dem potentiellen Vertragspartner mitgeteilt, kann eine vor­sätzliche Treupflichtverletzung vorliegen. Unterschiedliche Auffassungen über den Kaufpreis, die zum Abbruch der Verhandlungen führen, sind können deshalb grundsätzlich nicht haftungsbegründenden sein.

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