Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Anspruch eines Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft auf Erstellung eines zweiten Rettungsweges

BGH, Urteil vom 23.06.2017; V ZR 102/16

Es gehört (vorbehaltlich weiterer vereinbarter Nutzungsbeschränkungen) zu dem plan­gerechten Zustand einer Teileigentumseinheit, dass die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sind; dafür erforderliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum wie die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Herstellung eines zweiten Rettungs­weges entsprechen regelmäßig ordnungsgemäßer Verwaltung und können von einzelnen Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4 WEG beansprucht werden.

Sachverhalt

Der Käufer einer Teileigentumseinheit verlangt vor der Gemeinschaft die Herstellung und die Finanzierung eines zweiten Rettungsweges für sein, im Souterrain der Wohnungseigentums­anlage belegendes Teileigentum. Das Teileigentum ist nach der Teilungserklärung verbunden mit „dem Sondereigentum an sämtlichen Räumen der im Aufteilungsplan mit Nummer K 2 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Souterrain“.

Weiter enthält § 4 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung folgende Bestimmung: „Die Gewerbe­flächen dürfen zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden – die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht die allein Maßgebliche. (…) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer ist verpflichtet, auf seine Kosten alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzuholen und hat alle mit der Nutzungsänderung im Zusammenhang stehenden Kosten und Lasten zu tragen.“

Nach der Gemeinschaftsordnung dient das in der Wohnungseigentumsanlage belegene Sondereigentum an Wohnungen ausschließlich zu Wohnzwecken.

Der Kläger beantragt eine bauordnungsrechtliche Nutzungsänderung seiner Einheit, um diese als Aufenthaltsraum nutzen zu können. Die Behörde verlangt hierfür die Schaffung eines zweiten Fluchtweges. Der Brandschutznachweis für diese Einheit liegt vor. Der Kläger stellt den Antrag in der Wohnungseigentümerversammlung, den zweiten Rettungsweg zu beschließen und zu finanzieren und den Auftrag für die Errichtung der Fluchttreppe zu erteilen. Der Antrag wird abgelehnt. Der Kläger erhebt Anfechtungsklage und Beschluss-ersetzungsklage. Das Amtsgericht und das Landgericht weisen die Klage ab.

Entscheidung

Der BGH bestätigt den Anspruch des Klägers auf Herstellung des zweiten Rettungsweges durch die Gemeinschaft. Der zweite Rettungsweg dient nach Auffassung des BGH der erst­maligen plangerechten Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Hierzu gehören auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum. Auch Teileigentumseinheiten können als Aufenthaltsräume dienen. Da die Bezeich­nung „Teileigentum“ jede gewerbliche Nutzung zulässt, sind auch Nutzungen erlaubt wie etwa eine Büronutzung, die bauordnungsrechtlich nur in Aufenthaltsräumen vorgenommen werden können, d.h. in Räumen, die nicht nur zum vorrübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind. Es gehört deshalb zum plangerechten Zustand einer Teileigen­tumseinheit, dass die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sind. Mit der Formulierung in der Teilungserklärung, wonach Teileigentumseinheiten „nicht zu Wohnzwecken dienen“ wird nur die gesetzliche Definition aus § 1 Abs. 3 WEG aufgegriffen, nicht jedoch festgelegt, dass die Räume nicht als Aufenthaltsräume, sondern nur als Keller- oder Lagerraum genutzt werden dürfen.

Da dem Kläger ein Anspruch gegenüber der Gemeinschaft auf Herstellung des zweiten Rettungsweges zusteht, kann er auch die Erhebung einer Sonderumlage verlangen, da die Gemeinschaft die Herstellung des zweiten Rettungsweges auf Kosten der Gemeinschaft in Auf-trag zu geben hat.

Fazit

Zutreffend hat der BGH die unterschiedliche Verpflichtung der Gemeinschaft und des Sondereigentümers gegenüber gestellt. Dem Sondereigentümer werden nur die Kosten zuge­ordnet, die etwaige räumlich das Sondereigentum betreffende bauordnungsrechtliche Vor-gaben betreffen, wie etwa die Einholung des Brandschutznachweises. Die ordnungsgemäße Herstellung obliegt aber der Gemeinschaft und ist von ihr zu zahlen und in Auftrag zu geben.

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