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Wann liegt Arglist im Sinne des § 444 BGB vor?

  1. Bezugspunkt der Arglist in § 444 BGB ist ein konkreter Mangel. Arglist liegt deshalb nur vor, wenn der Verkäufer diesen konkreten Mangel kennt oder zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Das schließt es aus, ein arglistiges Verschweigen von Mängeln gemäß § 444 BGB durch den Verkäufer allein daraus abzuleiten, dass das Gebäude auf dem verkauften Grundstück teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist.
  2. Für die Annahme von Arglist genügt es nicht, dass sich dem Verkäufer das Vorliegen auf­klärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen (Bestätigung von Senat, Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11, NJW 2013, 2182).
  3. Ein Grundstück ist nicht allein deshalb mangelhaft, weil bei der Errichtung eines auf ihm stehenden Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde.

BGH, Urteil vom 28.05.2021; V ZR 24/20

Sachverhalt:

Die Klägerin erwarb von dem Beklagten ein Grundstück auf dem sich ein Gebäude befindet. Dieses Gebäude hatte der Beklagte zumindest teilweise unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichten lassen. Nachträglich stellte die Klägerin Mängel an der Abdichtung des Kellers und des Haussockels gegen Feuchtigkeit fest. Im Kaufvertrag waren die Rechte der Käuferin wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes zwar ausgeschlossen worden, dennoch verklagte die Käuferin den Verkäufer auf Zahlung von Schadensersatz. Der Klage hatte zuletzt das KG stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Der Beklagte könne sich – so das KG – nicht auf den Haftungsausschluss berufen, da er den Mangel arglistig verschwiegen habe. Es könne dabei dahinstehen, ob er von dem Mangel an der Kellerabdichtung Kenntnis oder ihn billigend in Kauf genommen hatte, er hätte jedenfalls die Klägerin darüber unterrichten müssen, dass das Gebäude teilweise in Schwarzarbeit errichtet worden sei.

Entscheidung:

Der BGH sieht dies anders und hebt das Urteil des KG auf. So verneint der BGH ein arglistiges Verschweigen des Mangels seitens des Verkäufers. Unstreitig liege – so der BGH – ein Mangel an der Kellerabdichtung vor. Dennoch könne der Beklagte sich nur dann nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen, wenn er den konkreten Mangel an der Kellerabdichtung arglistig verschwiegen hätte. Dass er verschwiegen hat, dass das Gebäude unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet worden ist, stehe jedoch nicht im direkten Zusammenhang zu dem Mangel an der Kellerabdichtung. Genau eines solchen Zusammenhanges, also eines Anknüpfungspunktes der Arglist an einen konkreten Mangel, bedarf es aber im Rahmen des § 444 BGB. Deswegen folgt der BGH der Entscheidung des KG nicht. Der Beklagte selbst hatte von dem Mangel an der Kellerabdichtung nicht nachweislich Kenntnis; auch hätte er sich ihm auch nicht deshalb aufdrängen müssen, weil die Arbeiten „schwarz“ erfolgt seien Das allein rechtfertigt laut BGH nicht einen anzunehmenden Verdacht auf mindere Qualität. Denn das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz diene der individuellen Ahndung von steuerlichen Vergehen, die keine begründeten Rückschlüsse auf die handwerkliche Ausführung der Arbeit zuließen. Ohnehin stellt der Senat klar, dass für das Vorliegen der Arglist ein „sich-hätte-Aufdrängen-müssen“ eines Mangels nicht ausreicht. Denn damit würden Maßstäbe der groben Fahrlässigkeit dort angelegt, wo Eventualvorsatz bewiesen werden muss. Auch das habe das KG verkannt.

Im Weiteren prüft der BGH dann, ob das Verschweigen der Tatsache, dass das Gebäude unter Verstoß gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz errichtet wurde, für sich genommen einen Mangel begründen könnte. Dann könnte nämlich zumindest der Anknüpfungspunkt im Rahmen des § 444 zwischen arglistigem Verschweigen und einem Mangel gegeben sein. Das KG hatte diesbezüglich nicht Stellung bezogen. Allerdings verneint der BGH diese Frage: Die Tatsache, dass beim Bau eines Gebäudes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verstoßen wurde, begründe noch keinen Mangel an selbigem. Es habe nach der Verkehrsauffassung regelmäßig schlicht keinen Einfluss auf den Wert eines Gebäudes, ob es in Schwarzarbeit errichtet wurde oder nicht. Dass ein Gebäude nicht in Schwarzarbeit errichtet wurde, gehört daher laut BGH nicht zu den gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 BGB kraft Gesetzes geschuldeten Eigenschaften. Offen ließ der Senat, ob Parteien im Rahmen des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB als zu erbringende Beschaffenheit eines Gebäudes individuell vereinbaren können, dass ein Gebäude nicht in Schwarzarbeit errichtet worden ist; dann könnte nämlich allein das Fehlen dieser Beschaffenheit einen Mangel als Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit begründen.

Fazit:

Die Argumentation des BGH ist überzeugend. So erscheint die Korrektur des Kammergerichts hinsichtlich des richtigen Anknüpfungspunktes der Arglist an einen Mangel im Rahmen des § 444 dann auch wenig überraschend. Ebenso ist es umfänglich einleuchtend, dass allein die Tatsache, dass ein Gebäude „schwarz“ errichtet wurde, per se keinen Mangel darstellt. Hilfreich ist die Bestätigung des Senats hinsichtlich der Anforderungen an die Arglist (s. dazu BGH vom 12.04.2013; V ZR 266/11) dahingehend, dass grobe Fahrlässigkeit in Form eines „sich-hätte-Aufdrängen-müssens“ eben nicht für die Annahme von Arglist ausreicht. Diesbezüglich dürften aber die üblichen und aus dem Strafrecht bekannten Abgrenzungsprobleme zwischen grober Fahrlässigkeit und billigenden Inkaufnehmens bleiben.

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