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Änderung der Rechtsprechung des BGH zu den Anforderungen an die Gesamtkosten im Betriebskostenrecht

BGH, Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 93/15

Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer Gebäudeeinheiten einer Wohnanlage. Sie klagt einen Nachzahlungsbetrag aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2011 gegen ihre Mieter ein. Bei den Nebenkostenpositionen „Wasser“, „Abwasser“ und „Müllabfuhr“ besteht die Besonderheit, dass die gesamte Anlage über einen zentralen Müllplatz und zwei Heizstationen mit zentraler Warmwasseraufbereitung verfügt, die jeweils die anderen Häuser mitversorgen. In der Betriebskostenabrechnung wurde daher von den Gesamtkosten für die gesamte Wohnanlage ausgegangen und diese Kosten nach dem Verhältnis der Wohnfläche auf die einzelnen Gebäude verteilt. Dieser interne Rechenschritt ist aus der Abrechnung nicht ersichtlich. Dort wurde bei den Gesamtkosten nur der jeweils heruntergerechnete Gesamtbetrag für das Gebäude eingestellt. Die „Gesamtkosten“ in der Nebenkostenabrechnung sind daher mit den Beträgen, die sich aus den Gebührenbescheiden der Gemeinde und der jeweiligen Rechnung der Stadtwerke ergeben, nicht identisch. Amtsgericht und Landgericht haben die Klage wegen formeller Unwirksamkeit der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der BGH gibt der Revision statt! Die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach ein formeller
Fehler der Nebenkostenabrechnung vorliegt, wenn sich Kosten auf eine Wirtschaftseinheit
beziehen und diese in einem internen Rechenschritt auf einzelne Wohneinheiten umgerechnet,
also in der Nebenkostenabrechnung lediglich bereinigte Gesamtkosten angegeben werden
(BGH, Urteil vom 14.02.2007, VIII ZR 1/06), wird vom BGH ausdrücklich aufgegeben. Der
BGH betont dazu, dass an die Abrechnung von Nebenkosten in formeller Hinsicht keine zu
hohen Anforderungen zu stellen sind. Er nimmt Bezug auf seine vorangegangenen
Entscheidungen, in denen er bereits aus diesem Grundgedanken heraus Ausnahmen von den
formalen Mindestanforderungen abgeleitet hat. Bei der Frage, welche Mindestanforderungen
an eine formell wirksame Betriebskostenabrechnung zu stellen seien, ging es letztendlich
darum, die insoweit betroffenen berechtigten Interessen von Mieter und Vermieter unter
Berücksichtigung des Zwecks einer solchen Abrechnung in einen angemessenen Ausgleich zu
bringen. Dabei dürfe die Abrechnung nicht überfrachtet werden und sich der zu leistende
Verwaltungsaufwand in vertretbaren Grenzen halten. Für den Mieter solle sich die Abrechnung
möglichst übersichtlich gestalten und nicht mit Details versehen sein, die für ihn regelmäßig
nicht mit einem wesentlichen Erkenntniswert verbunden seien. Er könne durch seinen
Anspruch auf Einsicht in die Abrechnungsunterlagen und Belege weitere Einzelheiten in
Erfahrung bringen. Ob der Vermieter den bei den Gesamtkosten angegebenen Gesamtbetrag
zutreffend errechnet bzw. ermittelt habe, sei daher ausschließlich eine Frage der materiellen
Richtigkeit, deren Überprüfung der Mieter ohnehin nur mittels einer Einsicht in die Belege
nachkommen könne.

Praxishinweis

Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BGH hat sich in den vorangegangenen Jahren
bereits angedeutet. In mehreren Ausnahmefällen ließ der BGH die fehlende Angabe von
Gesamtkosten zu. In der Entscheidung vom 09.10.2013 (VIII ZR 22/13) hat er angedeutet,
dass an der bisherigen Rechtsprechung „möglicherweise nicht länger festzuhalten sei“. Auch
das Landgericht Itzehoe (Urteil vom 27.02.2015, Az. 9 S 89/13) sah in der Einstellung
bereinigter und damit unvollständiger Gesamtkosten in einer Nebenkostenabrechnung bereits
keinen formellen Mangel mehr. Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung führt zu einer
weiteren erheblichen Erleichterung für den Vermieter in der Abrechnungspraxis. Das Risiko
eines formellen Fehlers wird immer geringer.

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