Allgemein Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Zulässige Versorgungssperre bei Nichtzahlung von Wohngeldern über einen längeren Zeitraum

1.
Der Beschluss einer Versorgungssperre ist zulässig nur nach vorheriger Abmahnung
und bei einem gravierenden Leistungsrückstand, wovon regelmäßig auszugehen ist,
wenn der Wohngeldrückstand sechs Monatsraten übersteigt. Dabei muss die
Abmahnung lediglich dem Vollzug der Sperre voraus gehen, nicht schon einer nur
vorbereitenden Beschlussfassung.
2.
Die Versorgungssperre kann auch dann die Stromzufuhr erfassen, wenn der
betroffene Miteigentümer zwar den Strom direkt von dem
Stromversorgungsunternehmen bezieht und dieses auch ihm gegenüber abrechnet,
die Stromleitung, die zu der Sondereigentumseinheit des Miteigentümers führt,
jedoch im Gemeinschaftseigentum steht.
3.
Gebäudebestandteile stehen gemäß § 5 Abs.1 WEG nur dann im Sondereigentum,
wenn sie sowohl in einem funktionalen als auch in einem räumlichen
Zusammenhang mit der Sondereigentumseinheit gemäß § 3 Abs.3 WEG stehen und
wenn ihre Veränderung, Beseitigung oder Entfernung allenfalls zu einer noch
hinzunehmenden Beeinträchtigung führen würde.
4.
Demnach steht eine Stromleitung, die von einem gemeinschaftlichen Zählerraum im
Keller des gemeinschaftlichen Anwesens durch das Gebäude in eine
Sondereigentumseinheit führt, auch dann nicht im Sondereigentum, wenn sie
ausschließlich der Stromversorgung dieser Sondereigentumseinheit dient.

(LG München I., Urteil 08.11.2010 – Az. I S 10680/10)

Sachverhalt

Die Miteigentümer einer Wohnungseigentümeranlage beschließen die Verhängung einer
Versorgungssperre gegen einen Miteigentümer für den Fall, dass dieser mit sechs
Wohngeldraten im Rückstand wäre und die Maßnahme vier Wochen vorher durch
eingeschriebenen Brief angedroht werde.

Entscheidung

Das Amtsgericht hat die Klage des anfechtenden Miteigentümers abgewiesen. Das Landgericht
München I weist die Berufung zurück. Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung
entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Eine Abmahnung vor der Beschlussfassung ist nicht
erforderlich. Es ist ausreichend, wenn diese vier Wochen vor der tatsächlichen Verhängung
der Versorgungssperre zu erfolgen hat. Der Beschluss ist bei dem erheblichen
Leistungsrückstand von sechs Monaten auch verhältnismäßig. Zwar ist, wie das Gericht
ausführt, zu berücksichtigen, dass der Miteigentümer den Strom nicht über die Gemeinschaft,
sondern direkt vom Stromerzeuger bezieht und auch in diesem Verhältnis abrechnet. Deshalb
ist die Versorgungssperre aber noch nicht rechtswidrig. Die Sperre ist vielmehr möglich, wenn
die Stromlieferung über eine im Gemeinschaftseigentum stehende Leitungsanlage erfolgt. Die
Leistung der Wohnungseigentümergemeinschaft liegt dann nämlich darin, dass sie dem
Eigentümer die Gemeinschaftsleitungen zur Verfügung stellt. Gemäß § 5 Abs.1 WEG gehören
zum Sondereigentum die zu den Räumen gemäß § 3 Abs.1 WEG gehörenden Bestandteile des
Gebäudes. Voraussetzungen für ein Sondereigentum sind damit sowohl ein funktionaler als
auch ein räumlicher Zusammenhang mit der Sondereigentumseinheit. Die Veränderung,
Beseitigung oder Entfernung der betreffenden Bestandteile darf nicht zu einer nicht
hinzunehmenden Beeinträchtigung der anderen Wohnungseigentümer führen. Daraus folgt,
dass die Stromleitungen, die vom gemeinschaftlichen Stromverteilerraum im Keller in die
jeweiligen Sondereigentumseinheiten führen, nicht im Sondereigentum stehen. Zwar führt die
Stromleitung vom Verteilerraum im entschiedenen Fall direkt und ausschließlich zu der
Sondereigentumseinheit, die sie versorgt. Es fehlt aber ein räumlicher Zusammenhang mit
der Sondereigentumseinheit. Die Stromleitungen starten nämlich im Keller. Der räumliche
Zusammenhang besteht mithin nur im im Gemeinschaftseigentum stehenden Verteilerraum.
Die Fallkonstellation unterscheidet sich von den Fällen, in denen es um die
Eigentumsverhältnisse von Leitungen geht, die in Wänden einer Sondereigentumseinheit
verlaufen, nachdem sie von den Hauptleitungen abgezweigt sind. Eine Entfernung der im
gemeinschaftlichen Verteilerraum startenden Leitungen würde einen Aufbruch des dortigen
Mauerwerkes erfordern. Dies würde zu einer mehr als unerheblichen, auch optisch
nachteiligen Veränderung des Gemeinschaftseigentums führen.

Fazit

Miteigentümer, die Zahlungen des Wohngeldes verweigern, bedeuten für die gesamte
Gemeinschaft eine erhebliche Belastung, die unter Umständen dazu führen kann, dass
erforderliche Instandsetzungsarbeiten wegen ausstehender Gelder nicht oder nur verzögert
durchgeführt werden können bzw. dass die Gemeinschaft ihren Zahlungsverpflichtungen
gegenüber Dritten nicht nachkommen kann. Die gerichtliche Geltendmachung ausstehender
Beträge erzeugt nicht immer den ausreichenden Druck auf die Miteigentümer, die Zahlungen
wieder aufzunehmen. Die Versorgungssperre, bei der allerdings in jedem Einzelfall zu prüfen
ist, ob das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgebot eingehalten wird, hat sich als
Druck- und Sicherungsmittel erwiesen, um den Schuldner zum Zahlungsausgleich zu
bewegen. Die Bewohnbarkeit der Wohnung ist bei fehlender Stromzufuhr ebenso wie bei
Unterbrechung der Heizwärme, Wasser, Gas etc. eingeschränkt. Das LG München I hat mit
seiner Entscheidung die einzuhaltende Vorgehensweise bei der Beschlussfassung über eine
Versorgungssperre vorgegeben.

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