Wegfall der Geschäftsgrundlage beim WEG-Verwaltervertrag?
Das Rechtsinstitut „Wegfall“ bzw. „Störung der Geschäftsgrundlage“ (geregelt in § 313 BGB) ist gerade in aller Munde. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurde im Bereich des Gewerbemietrechts intensiv diskutiert, ob die verordnete Schließung von Geschäften einen solchen Fall darstellt. Nunmehr hat sich die Bundesregierung sogar veranlasst gesehen, diese Frage durch eine Änderung in Art. 240 EGBGB § 7 gesetzlich zu regeln.
Auch im Wohnungseigentumsrecht kann eine solche Diskussion demnächst auftauchen – wenn auch nicht aufgrund der Covid-19-Gesetzgebung. Am 01.12.2020 ist das neue WEG in Kraft getreten (wir berichteten). Nach § 26 Abs. 3 WEG kann der Verwalter jederzeit abberufen werden. Sein Vertrag endet dann spätestens sechs Monate nach der Abberufung.
Nach früherem Recht war eine vorzeitige Abberufung nur aus wichtigem Grund möglich. Entsprechend war in den Verwalterverträgen meistens geregelt, dass eine Kündigung des Vertrages nur aus wichtigem Grund erfolgen könne.
Gab es einen solchen wichtigen Grund – etwa erhebliche Vertragsverletzung des Verwalters
– so konnte nicht nur die Abberufung erfolgen, sondern auch die Kündigung des
Verwaltervertrages ausgesprochen werden.
Bei derartigen Altverträgen stellt sich seit dem 01.12.2020 die Frage, was geschieht,
wenn ein Verwalter nach § 26 Abs. 3 WEG ohne wichtigen Grund abberufen wird.
Übergangsvorschriften gibt es nämlich nicht. Endet dann auch der Verwaltervertrag spätestens
sechs Monate nach der Abberufung?
Wir meinen, dass dies in vielen Fällen so sein dürfte, weil § 26 Abs. 5 WEG Abweichungen
von den gesetzlichen Regelungen verbietet; der Gesetzgeber greift hier also
direkt in bestehende Verträge ein.
Die Verwalter kalkulieren aber zumeist die Höhe ihrer Vergütung auf der Grundlage der
Laufzeit des Vertrages. Diese Kalkulation ist durch die Gesetzesänderung – wenn die
Eigentümer von dem Recht der vorzeitigen Abberufung Gebrauch machen – von einem
Tag auf den anderen Makulatur. Insbesondere bei Verträgen mit einer langen Restlaufzeitdauer
kann dies zu erheblichen finanziellen Einbußen der Verwalter führen.
Es ist deshalb zu erwarten, dass wir in diesem und im kommenden Jahr die ersten Entscheidungen
zu dieser Frage erhalten werden. Es ist dann Aufgabe der Gerichte, unter
Zuhilfenahme des Rechtsinstituts der „Störung der Geschäftsgrundlage“ den gesetzgeberischen
Eingriff in die Verträge grundrechtskonform (Art. 14 GG) zu regeln.
Unabhängig davon sollten Verwalter jetzt – wegen dieser und anderer Änderungen des
Gesetzes – unbedingt ihre Verwaltervertragsmuster auf den aktuellen Gesetzesstand
anpassen. Gerne unterstützen wir Sie dabei.
Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht
EuGH, Urteil vom 17.12.2020; Rs. C-449/19 – Lieferung der WEG von Wärme an
ihre Eigentümer unterliegt der Mehrwertsteuer
Art. 135 Abs. 1 Buchst. l Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass er einer
nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Lieferung von Wärme durch eine
Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft
sind, von der Mehrwertsteuer befreit ist. Link zum Urteil.
BGH, Urteil vom 02.10.2020; V ZR 282/19 – Wohnungseigentümer können
jederzeit Verteilungsschlüssel aufheben
- Die Aufgabe eines Verteilungsschlüssels zu Gunsten eines neuen Verteilungsmaßstabes
durch Mehrheitsbeschluss nach § 16 Abs. 3 WEG setzt nicht voraus, dass der
geltende Kostenverteilungsschlüssel einzelne Wohnungseigentümer benachteiligt oder
dass aufgrund sonstiger Umstände eine Neuregelung erforderlich ist. Den Wohnungseigentümern
steht aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum
zu, der lediglich durch das Willkürverbot beschränkt wird. - Das gilt auch, wenn die Wohnungseigentümer die in § 6 Abs. 4 HeizkostenV
genannten Abrechnungsmaßstäbe ändern. Insoweit stellt das Kriterium des „sachgerechten
Grunds“ i.S.d. § 6 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 HeizkostenV lediglich eine Ausprägung
des allgemeinen Willkürverbots dar. - Der für die Verteilung der verbrauchsunabhängigen Warmwasserkosten maßgebliche
Begriff der „Wohnfläche“ i.S.d. § 8 Abs. 1 HeizkostenV kann unter Rückgriff auf die
Bestimmungen der Wohnflächenverordnung und damit unter Einbeziehung von
Balkonen, Loggien, Dachgärten und Terrassen ermittelt werden. Die Wohnungseigentümer
können aber auch eine andere Berechnungsmethode festlegen.
LG Stuttgart, Beschluss vom 13.07.2020; 2 S 3/20 – Haben Untergemein-schaften automatisch besondere Rechte?
- Sieht die Teilungserklärung die Bildung von Untergemeinschaften vor, bedeutet dies noch nicht, dass auch die Beschlusskompetenz und Kostentragungslast automatisch auf diese übertragen wird.
- Abweichungen von der gesetzlichen Verteilung der Aufgaben, Kompetenzen und Kosten müssen klar und eindeutig aus den getroffenen Regelungen in der Teilungser-klärung hervorgehen.
- Wesentliche Bestandteile der Wohnungseigentumsanlage können nicht Gegenstand von Sondereigentum sein. Auch wenn ein Sondernutzungsrecht „ein Weniger“ zum Sondereigentum ist, muss dieser Grundsatz auch für das Sondernutzungsrecht gelten.