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Vorgetäuschter Eigenbedarf löst Schadensersatzverpflichtungen des Vermieters aus.

BGH, Urteil vom 10.06.2015, VIII ZR 99/14

Sachverhalt

Der Mieter verlangt Schadensersatz von seinem ehemaligen Vermieter wegen unberechtigter
Kündigung des Mietverhältnisses. In dem Kündigungsschreiben hatte der Vermieter mitgeteilt,
dass die Wohnung für einen neuen Hausmeister benötigt werde. Die Räumungsklage hatte in
erster Instanz keinen Erfolg; im Berufungsverfahren schlossen die Parteien sodann auf
Anraten des Gerichts einen Räumungsvergleich, in dem der Mieter auch alle Gerichts- und
Anwaltskosten übernahm und auf sämtliche Räumungsschutzvorschriften verzichtete. Nach
dem Auszug des Mieters zog jedoch nicht der angekündigte Hausmeister ein, sondern eine
Familie.

In einem sich anschließenden Zahlungsprozess verlangt der Mieter nunmehr wegen
unberechtigter Kündigung Ersatz seines Schadens in Höhe von rund € 26.000,00. Die Klage
blieb in zweiter Instanz vor dem Landgericht Koblenz erfolglos, die vom Bundesgerichtshof
zugelassene Revision hatte dagegen Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung
an eine andere Kammer des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

Ob eine Täuschung des Mieters im Rechtssinne vorliegt, die den Vermieter zur Zahlung von
Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet, wird das Berufungsgericht erneut
genauer zu überprüfen haben, die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind vom BGH in
ständiger Rechtsprechung vorgegeben.

Wesentlich schwieriger dürfte die weitere Rechtsfrage zu beantworten sein, ob ein
Räumungsvergleich den Zurechnungszusammenhang zwischen der Vortäuschung einer
(Eigen-)Bedarfssituation und dem später vom Mieter geltend gemachten Schaden unterbricht.
Es ist mithin eine Auslegung des Vergleichs erforderlich. Nur dann, wenn die Parteien durch
gegenseitiges Nachgeben auch den Streit darüber beilegen wollten bzw. mit dem Vergleich
auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen eines vorgetäuschten Bedarfs abgegolten werden
sollten, fehlt es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Der BGH stellt aber für
diesen Fall sehr strenge Anforderungen: „Der Verzichtswille muss unmissverständlich sein.“
Als Beispiel sieht der BGH u. a. die Zahlung einer namhaften Abstandszahlung oder einen
Verzicht auf Schönheitsreparaturen.

Anmerkung

Ob die Auslegung des Berufungsgerichts, dass der Mieter mit dem Abschluss des
Räumungsvergleichs gleichzeitig auch auf etwaige Schadensersatzansprüche wegen einer
vorgetäuschten Bedarfssituation verzichten wollte, „rechtsfehlerhaft“ war, wird die
Rechtsprechung und Literatur sicherlich auch in Zukunft noch beschäftigen. Jedenfalls in
denjenigen Fällen, in denen der Mieter eine sogenannte Abstandszahlung erhält, erscheint es
doch eher ungewöhnlich, dass Mietparteien im Rechtsstreit vor Gericht den Verzicht auf
Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs diskutieren, um diesen dann in Geld
aufzuwiegen. Denn kaum ein Vermieter wird offiziell vor Gericht einräumen, dass er den
Mieter getäuscht habe, um sich unberechtigterweise in den Besitz der Wohnung zu bringen.
Vor Abschluss eines solchen Vergleichs würde sich der klagende Vermieter um jede positive
Rechtsposition in einem Rechtsstreit bringen. Es liegt deshalb eher fern, dass Mietparteien im
Rechtsstreit Ansprüche des Mieters auch wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs erörtern und
durch Vergleich abgelten.

Fazit

Der Abschluss eines Räumungsvergleichs bedeutet nicht automatisch den Verzicht auf
Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs, eine entsprechende Abrede erscheint
unentbehrlich.

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