Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität
LG Köln, Urteil vom 13.11.2015, Az. 10 S 137/14
Sachverhalt
Der Beklagte vermietet sein privates Wohnhaus gewerblich an Kunden zur Ausrichtung von
Veranstaltungen, wie beispielsweise Hochzeiten, Familienfeiern oder Pressekonferenzen. In
seiner Villa finden jährlich mindestens acht Veranstaltungen statt. Bei der Villa handelt es sich
um das private Wohnhaus der Familie des Beklagten, das zugleich teilweise vermietet wird.
Das Brautpaar übernachtet in dem ansonsten privat genutzten Schlafzimmer. Bei den Klägern
handelt es sich um ein gleichgeschlechtliches Paar, das die Villa zum Zwecke ihrer
Hochzeitsfeier anmieten wollte. Sie richteten eine Terminanfrage per E-Mail an den Beklagten.
Nachdem der Beklagte verschiedene konkrete Termine für die Besichtigung vorschlug,
schrieben die Kläger an den Beklagten noch folgende Information:
„Eine Sache wollte ich noch ansprechen, da das aus unserer Namenskonstellation
nicht unbedingt hervorgeht. Bei mir und meinem Verlobten handelt es sich um
zwei Männer, ich hoffe, das stellt für Sie kein Problem dar.“
Der Beklagte antwortete hierauf wie folgt:
„Sehr gut, dass Sie das noch erklärt haben. Denn in der Tat ist es hier nicht so
einfach, denn das Haus gehört meiner Mutter und diese kann sich mit den neuen
Gegebenheiten noch nicht so recht anfreunden.“
Nach weiterer E-Mail-Korrespondenz antwortete der Beklagte auf die Frage des Klägers, ob
dies als Absage zu verstehen sei:
„Ja. Die Kölner sagen dazu liebevoll et ist wie et ist.“
Der Kläger macht sodann vor dem Amtsgericht Köln einen Anspruch auf Entschädigung in
Höhe von 1500 € wegen Verstoßes gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wegen der
erlittenen Diskriminierung geltend. Das Amtsgericht gab der Klage statt. Mit der eingelegten
Berufung begehrt der Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger legte Anschlussberufung
ein und begehrte einen höheren Entschädigungsbetrag.
Entscheidungsgründe
Das Landgericht bestätigt die Entscheidung des Amtsgerichts dem Grunde nach und erhöht
den Entschädigungsanspruch im Rahmen der Anschlussberufung auf € 850,00 pro Kläger.
Gemäß der einschlägigen gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG sei bei Anbahnung
eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses eine Benachteiligung aufgrund der sexuellen
Identität unzulässig, wenn das Schuldverhältnis typischerweise ohne Ansehung der Person zu
vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommt (sogenanntes
Massengeschäft) oder dem Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine
nachrangige Bedeutung zukommt und die Geschäfte zu vergleichbaren Bedingungen in einer
Vielzahl von Fällen zustande kommen. Nach Auffassung des Landgerichts kommt der
Ansehung der Person in dem hier vorliegenden Geschäftsmodell allenfalls eine nachrangige
Bedeutung zu. Es läge nicht in der einseitigen Entscheidungsgewalt des Beklagten, durch die
Festlegung auf – objektiv betrachtet – willkürliche Auswahlkriterien, wie die Sympathie seines
Vertragspartners, den Anwendungsbereich des AGG zu eröffnen oder nicht. Der Beklagte
hatte sich zur gewerblichen Vermietung der sonst zu privaten Wohnzwecken genutzten Villa
entschieden. Aufgrund dieses gewählten Geschäftsmodells fänden die für gewerblich
angebotene Dienstleistungen geltenden Rechtsbestimmungen auch in Bezug auf den
Beklagten Anwendung, folglich auch das Benachteiligungsverbot. Auch ein sachlicher Grund
für die Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Es sei schon nicht erkennbar, dass die
Intimsphäre des Beklagten durch die kostenlose Zurverfügungstellung seines Schlafzimmers
an ein Hochzeitspaar im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses berührt wird, da auch
hier letztlich nur die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden und davon
auszugehen sei, dass der Beklagte seine Intimsphäre betreffende Gegenstände zuvor aus dem
Schlafzimmer entferne. Jedenfalls aber erfordere der Schutz der Intimsphäre des Beklagten
insoweit keine weiteren Maßnahmen als bei der Zurverfügungstellung an ein heterosexuelles
Hochzeitspaar.
Bei der Höhe der Entschädigung berücksichtigt das Landgericht, dass die Bedeutung der
Veranstaltung für die Kläger emotional beladen und sehr wichtig war. Sie konnten aber auf
einen festen Vertragsabschluss noch nicht vertrauen, da es noch nicht zu einer
Ortsbesichtigung gekommen war. Die Kläger konnten auch nicht gänzlich überrascht von der
Absage sein, da sie ihrerseits den Beklagten bereits wegen ihrer Homosexualität
angeschrieben hatten. Auch die Form der Absage sei objektiv nicht in dem Maße
herabsetzend, dass sie eine höhere Entschädigung rechtfertigen würde.
Praxishinweis
Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist bereits seit dem 14.08.2006 in Kraft.
Seitdem hat es nur wenige Gerichtsurteile gegeben, in denen es um Verstöße gegen den
allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ging. Dennoch sollte gerade bei dem Abschluss von
Mietverträgen im Auge behalten werden, dass dieses Gesetz nach wie vor Gültigkeit hat. Um
Ansatzpunkte für einen Entschädigungsanspruch des Mieters zu vermeiden, sollte daher
insbesondere darauf geachtet werden, dass Absagen bei Vermietungsangeboten nicht im
Detail begründet werden. Die Mitteilung „haben wir uns für einen anderen Bewerber
entschieden“ ist vollkommen ausreichend und weckt keinen Verdacht einer Diskriminierung.