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Verkehrssicherungspflichten bei Baumbeständen

Urteil des Brandenburgischen OLG vom 22.10.2015, Az. 5 U 104/13

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Baumschadenfall. Die Parteien
sind Grundstücksnachbarn. Die Klägerin betreibt auf ihrem Grundstück eine Garagenanlage.
Bei einem Gewittersturm mit einer Windgeschwindigkeit von 63,9 km/h stürzen die
Baumkronen von zwei Silberpappeln des Nachbargrundstückes auf die Garagendächer. Die
Eigentümerin des Garagengrundstückes ist der Auffassung, der Nachbar hafte für den
Schaden wegen der Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Die Klage wird in beiden
Instanzen abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht
vorläge. Für die Anforderungen an die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht im Hinblick
auf Baumbestände gelte Folgendes: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist derjenige,
der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die
notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer
möglichst zu verhindern. Die gebotene Verkehrssicherung umfasse diejenigen Maßnahmen,
die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für
notwendig und ausreichend halte, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH NJW 2006,
610). Dabei müsse nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintrittes Vorsorge
getroffen werden. Es seien vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet seien, die
Schädigung anderer zunächst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei genügt,
wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht werde, den die in dem entsprechenden
Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Es reiche anerkanntermaßen
aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger,
vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffen Verkehrskreise für ausreichend
halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach
zuzumuten sind (BGH NJW 2013, 48 m.w.N.). Für Baumbestände gelte, dass die auf dem
Grundstück vorhandenen Bäume in regelmäßigen Abständen auf Schäden und Erkrankungen
zu untersuchen und im Falle des Verlustes der Standfestigkeit zu entfernen seien, damit von
ihnen keine Gefahr ausgehe. Die Kontrolle im privaten Bereich der unterhaltenen Bäume
könne der Eigentümer selbst durchführen und müsse keinen Fachmann hinzuziehen. Eine
eingehende fachmännische Untersuchung sei erst bei Zweifelsfragen zu veranlassen, etwa
beim Vorhandensein unbelaubter Äste, äußerer Verletzungen oder Pilzbefall. Die Frage des
Umfangs und der Intensität der erforderlichen Kontrollen lasse sich insoweit nicht generell
beantworten, vielmehr komme es auf das Alter, den Zustand und den Standort der Bäume an.

Praxishinweis

Mit Urteil vom 06.03.2014 (III ZR 352/13) hat der BGH eine Steigerung der Verkehrssicherungspflicht auch für straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinden hinsichtlich der für Astbrüche bekanntermaßen anfälligen Bäume, wozu auch Pappeln gehören, ausdrücklich verneint, wenn sich diese Bäume im gesunden Zustand befinden. Mit den dargestellten Entscheidungen wird daher ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, selbst bei dafür anfälligeren Baumarten nicht als Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angesehen. Die Folgen eines natürlichen Astabbruches zählen daher zum allgemeinen Lebensrisiko. Anforderungen an spezielle Sicherungs- und Überprüfungsmaßnahmen entstehen jedoch dann, wenn nach einer Untersuchung Anhaltspunkte für Erkrankungen oder eine fehlende Standsicherheit bestehen.

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