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Stillschweigende Änderung der Mietstruktur: Teilinklusiv- oder Nettokaltmiete? Grundsätzlich ist eine stillschweigende Änderung der Mietstruktur möglich, wenn aufgrund besonderer Umstände der Änderungswille des Vermieters für den Mieter erkennbar ist.

LG Hamburg, U. v. 20.05.2010 – 333 S 10/10

Der Fall

Die Mieterin verklagt ihre Vermieterin auf Rückzahlung eines Betriebskostensaldos.
Im Mietvertrag ist eine Teilinklusivmiete vereinbart. Streitig ist, ob die Vermieterin einzelne
Betriebskostenpositionen in der Abrechnung berücksichtigen durfte. Erstinstanzlich wird der
Klage stattgegeben. Die Regelung im Mietvertrag stelle eine Teilinklusivmiete dar, nach der
die streitigen Positionen nicht umgelegt werden dürften. Eine Verwirkung des Anspruchs liege
nicht vor, weil neben der jahrelangen Übung weitere Umstände vorliegen müssten, die zu
einer geänderten Abrechnungsvereinbarung führen würden. Die Vermieterin legt Berufung ein
mit der Begründung, dass eine stillschweigende Abänderung der Mietstruktur eingetreten sei:

Seit 1982 erfolgten 9 Mieterhöhungsverlangen, die alle von einer Nettokaltmiete zuzüglich
Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ausgehen. Bei Abgabe der entsprechenden
Zustimmungserklärungen war die Mieterin stets anwaltlich vertreten.

Hintergrund

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 10.10.2007 (VIII ZR 279/06)
klargestellt, dass die Zahlung von nicht vereinbarten Betriebskosten über Jahre hinweg für
sich alleine nicht ausreicht, um eine stillschweigende Änderung der Mietstruktur
vorzunehmen. Enthält die Abrechnung nicht vereinbarte Nebenkosten, kann nicht ohne
weiteres davon ausgegangen werden, dass der Vermieter den Mietvertrag ändern will. Und
wenn der Mieter einen in der Abrechnung ausgewiesenen Betrag einfach zahlt, dann
zumindest deshalb, weil er glaubt, dazu verpflichtet zu sein, er wolle aber keine
Vertragsänderung herbeiführen (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht 9. Auflage § 556
Rn. 58).

Die Entscheidung

Das Landgericht Hamburg hebt die Entscheidung auf und weist die Klage
ab. Die Mieterin hat keinen Anspruch auf Rückzahlung des Saldos. Es sei eine stillschweigende
Änderung der Mietstruktur von einer Teilinklusiv- zu einer Nettokaltmiete zuzüglich
Nebenkostenvorauszahlungen erfolgt. Die Vermieterin habe die streitigen
Betriebskostenpositionen umlegen dürfen. Eine Zustimmung zur Änderung der Mietstruktur
sei in den Schreiben der Rechtsanwälte der Klägerin auf die Mieterhöhungsverlangen der
Vermieterin zu sehen. Die Vermieterin könne davon ausgehen, dass die bisherigen
Verfahrensbevollmächtigten der Mieterin für diese die Rechtslage eingehend geprüft haben,
daher seien die Schreiben dahingehend zu verstehen, dass die Mieterin dem Grunde nach mit
der Abrechnung der Miete als Nettokaltmiete einverstanden sei. Auch seien die Erklärungen
der Verfahrensbevollmächtigten seien der Mieterin gemäß § 164 BGB zurechenbar. Die
Mieterin habe diese mit der Prüfung der Berechtigung der Mieterhöhungen beauftragt. Die
Klägerin könne diese Erklärungen auch nicht gemäß § 119 BGB anfechten. Die Mieterin habe
über ihre Verfahrensbevollmächtigten genau das erklärt, was sie erklären wollte. Sie habe
ihre Zustimmung dafür erklären wollen, dass sie jeweils in Zukunft eine Netto-Kaltmiete zzgl.
Betriebskostenvorauszahlungen auf die in den Mieterhöhungen ausdrücklich bezeichneten
Positionen in bestimmter Höhe zahle.

Kommentar

Die Entscheidung ist sowohl vom Ergebnis als auch von der Begründung her zu
begrüßen!

Praxishinweis

Vorsicht ist geboten bei der vorschnellen Annahme einer stillschweigenden
Veränderung der Mietstruktur. Die Beurteilung hängt stets vom Einzelfall ab. Besonders
lesenswert zu dieser Thematik ist die Entscheidung des LG Itzehoe, Urteil vom 30.10.2009
unter dem Aktenzeichen 9 S 20/08 (bestätigt vom BGH, 7.7.2010, Az. VIII ZR 321/09).

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