Sind Fragen nach der Erkennbarkeit von Schäden zulässig?
In einem selbständigen Beweisverfahren kann der Sachverständige auch danach
gefragt werden, ob Schäden oder Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer
bzw. Bewohner aus sachverständiger Sicht erkennbar waren.
BGH, Beschluss vom 08. Oktober 2009 – V ZR 84/09 –
Der Fall
Ein Haus wird verkauft. Nach der Übergabe machen die Käufer Feuchtigkeits- und
andere Schäden geltend und beantragen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die
Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es werden 15 Fragen formuliert. In vier dieser
Fragen wird der Sachverständige auch gefragt, ob die Antragsgegner die behaupteten
Schäden hätten erkennen können oder müssen.
LG und OLG Karlsruhe halten diese Fragen für unzulässig, da sie sich weniger auf den Zustand
der jeweiligen Sache als vielmehr auf die Fähigkeit der im Beweisantrag bezeichneten
Personen bezögen, einen bestimmten Zustand wahrzunehmen. Solche Fragen unterlägen in
erster Linie der Beurteilung des Gerichtes.
Die Antragsteller legen Rechtsbeschwerde zum BGH ein.
Rechtlicher Hintergrund
Als vorweggenommene Beweisaufnahme dient das selbständige
Beweisverfahren der Aufklärung von Tatsachen, nicht der Beantwortung von Rechtsfragen.
Die Frage nach der Erkennbarkeit von Mängeln ist aber auch für die Prüfung von
Sorgfaltspflichtverletzungen und Arglist von Bedeutung. Diese Rechtsfragen zu klären ist
jedoch Aufgabe des Gerichts.
Was sagt das Gericht
Der BGH hält die Fragen gleichwohl für zulässig. Die Frage nach der
Erkennbarkeit von Bauschäden ziele nämlich nicht darauf ab, die intellektuellen oder
Wahrnehmungsfähigkeiten bestimmter Personen (hier der Antragsgegner) aufzuklären; es
gehe vielmehr darum festzustellen, ob sich die zu prüfenden Schäden und Mängel dem
Bewohner des Hauses mit den ihm typischerweise zu Gebote stehenden
Erkenntnismöglichkeiten von selbst erschließen oder ob es dazu besonderer Fähigkeiten der
Anstrengungen bedürfe. Gegenstand der Untersuchung sei somit nicht eine Bewertung des
Verhaltens der Antragsgegner, sondern der Zustand des Gebäudes und die Aussagekraft der
festzustellenden Schäden und Mängel.
Praxishinweis
Auch wenn die Entscheidung des BGH nachvollziehbar und gut begründet
erscheint: Für Sachverständige wird die Arbeit durch die Beantwortung solcher Fragen nicht
einfacher. Denn wo endet die Beschreibung eines technischen Zustandes der sich dem
Hausbewohner aufdrängen musste und wo beginnt die Beurteilung der individuellen Fähigkeit
dieser Person, den beschriebenen Zustand wahrzunehmen?