Schriftformverstoß bei stillschweigender Mieterhöhung
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.03.2013, Az. 24 U 103/12
Sachverhalt
Zwischen den Parteien besteht ein befristeter Gewerberaummietvertrag. Der Vertrag sieht die
Möglichkeit einer Mietanpassung vor, wenn der Verbraucherpreisindex für Deutschland sich
um eine bestimmte Punktezahl verändert hat. Der Vermieter verlangt bereits mehrmals vor
Erreichen dieser festgelegten Punktezahl die Anpassung der Miete entsprechend der
prozentualen Veränderung des Verbraucherpreisindexes und macht dies mit einem
Mieterhöhungsschreiben geltend. Der Mieter bezahlt die von dem Vermieter jeweils verlangte
neue Miete. Die einzelnen Mieterhöhungen liegen unterhalb von 5 % der bis dahin gültigen
Miete. Mehr als zehn Jahre nach der ersten Mieterhöhung kündigt der Mieter das
Mietverhältnis ordentlich wegen Verstoßes gegen die Schriftform. Der Vermieter klagt die
Miete für den Zeitraum ab Rückgabe der Mietsache bis zum Ende der vereinbarten Festlaufzeit
des Vertrages ein.
Rechtlicher Hintergrund
Verstöße gegen die Schriftform gemäß §§ 550, 126 BGB haben zur Folge, dass der
Mietvertrag trotz einer zeitlich vereinbarten Befristung von beiden Vertragsparteien mit der
gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich gekündigt werden kann. Das Schriftformerfordernis
gilt für Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen sind. Zu den Anforderungen
an die gesetzliche Schriftform gehört nach ständiger Rechtsprechung des BGH, dass sich alle
wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere der Mietgegenstand, die Miethöhe, die
Mietdauer, sowie die Vertragsparteien – aus einer einheitlichen Vertragsurkunde ergeben, die
die Original-Unterschrift der Vertragspartner enthalten muss. Bloße Briefwechsel oder
Unterschriften, die nur per Telefax oder email übermittelt werden, genügen der Schriftform
nicht.
Entscheidung
Die eingelegte Berufung des Mieters hat Erfolg. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hält die
Kündigung für wirksam. Ein Schriftformverstoß läge vor, weil die Parteien sich nur
stillschweigend und damit eben gerade ohne schriftliche Form auf eine wesentliche Änderung
des Mietvertrages in Form der Miethöhe verständigt hätten. Auch wenn die jeweils einzelne
Mieterhöhung nur einen relativ geringen Betrag ausmache, ergäben die vereinbarten
Mieterhöhungen insgesamt eine Differenz, die die ursprünglich im Mietvertrag festgelegte
Miete deutlich überschreite. Damit läge die Änderung einer wesentlichen Vertragsbedingung
ohne Einhaltung der Schriftform vor.
Praxishinweis
Nach wie vor bestehen erhebliche Risiken, auch in einem laufenden Mietverhältnis
Schriftformverstöße zu begehen. Die Problematik liegt hier oft im Detail. Wegen der oftmals
großen wirtschaftlichen Bedeutung langfristiger Gewerberaummietverträge ist daher
außerordentliche Sorgfalt auf die Behandlung der Vertragsurkunde selbst, aber auch auf
nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages im Hinblick auf die Einhaltung der
Schriftform zu legen. Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 26.04.2013 – 30 U 82/12 –
allerdings eine „Schriftform-Heilungsklausel“ als allgemeine Geschäftsbedingung in einem
Gewerberaummietvertrag anerkannt. Längst nicht alle Gewerberaummietverträge enthalten
eine solche Klausel. Bislang ist auch keineswegs klar, wie der BGH die Wirksamkeit einer
solchen Klausel einschätzt.