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Schriftformerfordernis für vertragsbegründende Angebots- und Annahmeerklärung der Vertragsparteien

BGH, Urteil vom 24.02.2010 – XII ZR 120/06

Sachverhalt

Die Parteien verhandeln über den Abschluss eines Gewerberaummietvertrages. Am
16.03.1992 unterschreibt die Vermieterin einen Gewerberaummietvertrag mit den zwischen
den Parteien ausgehandelten Vertragsbedingungen. Die Mietzeit soll mit der Übernahme des
bezugsfertigen Mietobjektes beginnen und eine Vertragslaufzeit von 15 Jahren gelten. Der
Vertrag regelt außerdem, dass die Mieterin einen Monat ab Zugang des unterzeichneten
Mietvertrages Zeit zur Gegenzeichnung und Rücksendung des Vertrages erhält
(Annahmefrist). Diese Annahmefrist wird sodann noch einmal bis zum 22.04.1992 verlängert.
Die Mieterin unterzeichnet den Vertrag und schickt ihn an die Vermieterin zurück. Im Prozess
ist zwischen den Parteien streitig, ob der Vertrag noch bis zum 22.04.1992 bei der
Vermieterin eingegangen ist. Die Übergabe des Mietobjektes findet am 09.11.1993 statt. In
dem gefertigten Übergabeprotokoll wird festgehalten, dass die Übergabe der Mietsache auf
der Grundlage des Mietvertrages stattgefunden hat und die Mieterin ab diesem Tag
verpflichtet ist, die vereinbarte Miete zu bezahlen. Mit der Klage begehrt die Mieterin
Feststellung, dass der Gewerberaummietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt,
also von ihr mit der gesetzlichen Frist gekündigt werden kann.

Rechtlicher Hintergrund

Inhaltlich geht es um die Frage, ob ein Verstoß gegen das Schriftformgebot des § 550 BGB
gegeben ist und die zunächst vereinbarte Befristung von 15 Jahren nicht gilt, vielmehr der
Vertrag von beiden Seiten mit der gesetzlichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Zu
den Anforderungen an die gesetzliche Schriftform gehört nach ständiger Rechtsprechung des
BGH grundsätzlich, dass sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen – insbesondere der
Mietgegenstand, die Miete, die Mietdauer sowie die Vertragsparteien – aus der
Vertragsurkunde ergeben, die zudem die Originalunterschriften der Vertragspartner enthalten
muss. Bloßer Briefwechsel oder Unterschriften, die nur per Telefax übermittelt werden,
genügen der Schriftform nicht.

Die Wahrung der Schriftform hat jedoch nichts mit der Wirksamkeit des Vertrages zu tun.
Schriftformverstöße wirken sich nur auf die Laufzeit des Vertrages aus, indem dieser als
Vertrag auf unbestimmte Zeit gilt, damit allerdings kündbar ist. Der Schutzzweck des
Schriftformgebotes richtet sich in erster Linie an einen späteren Grundstückserwerber, der
kraft Gesetzes in die Vermieterstellung eintritt und die früheren Vereinbarungen zwischen den
ursprünglichen Mietvertragsparteien folglich nicht kennen kann. Dieser soll daher alle
Bedingungen aus dem schriftlichen Vertrag ersehen können.

Entscheidung

Der BGH gibt der Revision statt und verneint einen Schriftformverstoß. Er schließt sich damit
der Auffassung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach in Fällen der verspäteten
Annahme eines Mietvertragsangebotes für die Wahrung der Schriftform die Einhaltung der
„äußeren Form“ ausreicht. Diese „äußere Form“ hält der BGH bereits für gewahrt, wenn eine
von beiden Parteien im Original unterschriebene einheitliche Vertragsurkunde mit allen
wesentlichen Vertragsbedingungen
vorliegt. Die Rechtzeitigkeit der Annahmeerklärung
betreffe vielmehr die Frage, ob der Mietvertrag wirksam zustande gekommen sei. Diese Frage
richte sich allein nach den allgemeinen Regeln über den Abschluss von Verträgen (§§ 145
BGB). Die Wirksamkeit eines Vertrages unterliegt nach der Auslegung des BGH deshalb auch
nicht der Voraussetzung, dass der Vertrag nur durch schriftlich abgegebene Annahme- und
Angebotserklärung der Parteien zustande gekommen ist. Vielmehr genüge es, wenn er
konkludent abgeschlossen werde. Für das Schriftformerfordernis hingegen sei jedoch
Voraussetzung, dass dieser konkludente Abschluss inhaltsgleich mit den Vertragsbedingungen
sei, die in einer der Schriftform genügenden einheitlichen Vertragsurkunde niedergelegt sind.

Praxishinweis

Verstöße gegen die Schriftform gelten nach wie vor als das wichtigste Ausstiegsmodell für die
Mietvertragsparteien bei langfristig abgeschlossenen Miet-oder Pachtverträgen, die nach
ihrem Sinn und Zweck sonst gerade nicht ordentlich kündbar wären. Wegen der oftmals
großen wirtschaftlichen Bedeutung langfristiger Gewerberaummietverträge ist daher
außerordentliche Sorgfalt auf die Behandlung der Vertragsurkunde selbst, aber auch von
nachträglichen Änderungen oder Ergänzungen des Vertrages im Hinblick auf die Einhaltung
der Schriftform zu legen.

Die Entscheidung beschäftigt sich nur mit der Frage über die Einhaltung der Schriftform.
Dennoch darf auch der rechtzeitige Zugang von Annahmeerklärungen in der Praxis nicht
unterschätzt werden: Wird ein von einer Vertragspartei unterzeichneter Vertrag nicht
rechtzeitig an den Absender zurückgeschickt, besteht das Risiko, dass ein Vertrag nicht
zustande gekommen ist. Das wirtschaftliche Risiko wäre daher noch fataler als bei Verstößen
gegen die Schriftform bei denen der Vertrag nicht unwirksam, sondern nur mit den
gesetzlichen Kündigungsfristen ordentlich kündbar ist. Die Rechtsprechung setzt bei
Mietverträgen eine Annahmefrist von in der Regel zwei Wochen an. Verwalter ebenso wie
Makler, die für ihren Anspruch auf Provisionszahlung auf das wirksame Zustandekommen
eines Hauptvertrages angewiesen sind, sollten sich diese Frist im Zweifel notieren. Ferner ist
darauf zu achten, dass auch die Annahmeerklärung dem Vertragspartner zugehen muss.

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