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Schadensersatzansprüche wegen Baumängeln umfassen keine Umsatzsteuer, wenn die Mängel noch nicht beseitigt sind

BGH, Urteil vom 22.07.2010 – VII ZR 176/09

Der Fall

Ein Bauunternehmen hat Arbeiten an einem Einfamilienhaus durchgeführt, welche
mangelhaft waren. Nach fruchtlosem Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist verlangt der Bauherr
im Wege des Schadensersatzes nicht nur die Netto-Kosten in Höhe von € 9.405,–, sondern
auch die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von € 1.786,95.

Rechtlicher Hintergrund

Nach der überwiegenden OLG-Rechtsprechung war auch die
Umsatzsteuer im Rahmen des Schadensersatzes erstattungsfähig, obgleich sie mangels nicht
durchgeführter Mängelbeseitigung (noch) gar nicht angefallen war. Die Regelung des § 249
Abs. 2 BGB stellt hingegen grundsätzlich klar, dass Umsatzsteuer erst gefordert werden kann,
wenn sie auch fällig geworden ist.

Die Entscheidung

Der BGH lehnt eine Erstattung der Umsatzsteuer ab. Zwar sei § 249 Abs.
2 Satz 2 BGB auf werkvertragliche Schadensersatzansprüche, die an die Stelle eines
Erfüllungsanspruchs treten, nicht unmittelbar anwendbar. Der Grundgedanke dieser Regelung
– nämlich dem Geschädigten nicht den Vorteil der Umsatzsteuer zuzubilligen, wenn diese nicht
oder noch nicht angefallen ist -, habe jedoch auch bei der Berechnung eines bauvertraglichen
Schadensersatzanspruchs zu gelten. Die Bemessung eines Schadens, der durch den Mangel
eines Werkes und nicht erst durch dessen Beseitigung entstanden ist, dürfe nicht ohne eine
wertende Betrachtung vorgenommen werden. Einerseits sei die berechtigte Erwartung des
Bauherrn zu berücksichtigen, den Schaden an den Schäden bemessen zu können, die eine
Mängelbeseitigung erfordern, weil der Anspruch an die Stelle des geschuldeten
Erfüllungsanspruchs trete. Andererseits führe die Schadensberechnung nach geschätzten
Mängelbeseitigungskosten häufig insoweit zu einer Überkompensation, als dem Geschädigten
rechnerische Schadensposten ersetzt würden, die gar nicht angefallen seien. Dies gelte
jedenfalls für den Anteil, der wie die Umsatzsteuer einen durchlaufenden Posten darstelle, der
keinem der an einer Mängelbeseitigung Beteiligten zugute komme und in seiner Entstehung
von steuerrechtlichen Vorgaben abhänge. Durch diese Wertung werde der Besteller auch
keineswegs beeinträchtigt. Denn die Umsatzsteuer werde unstreitig ersetzt, wenn der
Besteller diese im Rahmen der Mängelbeseitigung tatsächlich aufwende und nicht im Rahmen
eines Vorsteuerabzugs erstattet bekomme. Im Übrigen habe er anstelle der Geltendmachung
eines Schadensersatzanspruchs die Möglichkeit, einen Selbstvornahmevorschuss auf die
künftigen Mängelbeseitigungskosten inklusive Umsatzsteuer zu verlangen.

Kommentar

Die Entscheidung macht Bauherren die umfassende Durchsetzung ihrer Rechte
deutlich schwerer, da sie gezwungen sein werden, vor Mängelbeseitigung zunächst eine Klage
ohne Geltendmachung der zu erwartenden Umsatzsteuer zu erheben oder sich auf eine
Vorschussklage verweisen zu lassen. Erst nach erfolgter Mängelbeseitigung kann ggf. eine
Klageerweiterung oder eine erneute Klage auf Erstattung der –mittlerweile angefallenen-
Umsatzsteuer durchgeführt werden. Dies könnte jedoch im Hinblick auf die werkvertragliche
Verjährungsfrist von fünf Jahren, welche unabhängig von einer Kenntnis oder einem
Entstehen des Anspruchs zu laufen beginnt, insoweit für erhebliche verjährungsrechtliche
Schwierigkeiten sorgen, als viele Bauherren eine Mängelbeseitigung erst beauftragen, wenn
Sie die Schadenssumme erhalten haben. Andererseits wird die Möglichkeit einer
Nichtabführung der erstatteten Umsatzsteuer durch den Geschädigten eingeschränkt.

Die Bedeutung dieser Entscheidung könnte über die Umsatzsteuerthematik hinaus gehen. Die
Schadensberechnung infolge eines nicht beseitigten Mangels ist ein wertender Vorgang.
Möglicherweise wird der Besteller künftig bei Verzicht auf die Mängelbeseitigung nur noch den
mangelbedingten Minderwert als Schadensersatz verlangen können, nicht mehr die fiktiven
Mängelbeseitigungskosten, da der Schaden streng genommen erst nach Durchführung und
Bezahlung der Mängelbeseitigungsmaßnahmen entsteht.

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