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Rechtsschutzversicherung: Kostenschutz auch bei Streitigkeiten der Wohnungseigentümer über baugenehmigungsbedürftige Maßnahmen

AG Düsseldorf, Urteil vom 10.06.2015, Az. 23 C 17/15

Sachverhalt

In einer Wohnungseigentumsanlage werden Baumaßnahmen erforderlich, die öffentlichrechtlich
die Erteilung einer Baugenehmigung erfordern, die durch das örtliche Bauamt auch
unproblematisch gewährt wird. Innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft ist indes
streitig, ob die beschlossenen Maßnahmen zielführend sind. Der Beschluss über die
Durchführung der Baumaßnahme wird daher von einem Wohnungseigentümer angefochten.
Die Rechtsschutzversicherung verweigert den Kostenschutz für das gerichtliche Verfahren
unter Hinweis auf die so genannte Baurisikoklausel der Rechtsschutzversicherungsbedingungen.
Diese Klausel soll Kostenrisiken aus baubezogenen Streitigkeiten gegenüber
dem Versicherer ausschließen. Der Wohnungseigentümer akzeptiert diese Entscheidung des
Rechtsschutzversicherers nicht und erhebt die so genannte Deckungsklage. Das Amtsgericht
Düsseldorf hat den Versicherer zu Gewährung des vollständigen Kostenschutzes für die
zwischenzeitlich in zwei Instanzen geführte Beschlussanfechtungsklage verurteilt.

Entscheidungsgründe

Die Rechtsschutzversicherer in der Bundesrepublik Deutschland schließen sämtlich in den
Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Gewährung des Versicherungsschutzes für
Rechtsstreitigkeiten aus, die im Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung von
Gebäuden oder Gebäudeteilen sowie sonstigen baulichen Anlagen stehen, die sich im
Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden. Für die Beschlussanfechtungsklage
gegen den Beschluss, die streitige Maßnahme durchzuführen gilt dieser Ausschluss des
Versicherungsschutzes hingegen nicht.

Das Amtsgericht Düsseldorf verweist auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur
Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen und bekräftigt, dass die
Versicherungsbedingungen so auszulegen sind, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und
Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Die Baurisikoklausel
ist grundsätzlich eng auszulegen. Das Amtsgericht Düsseldorf anerkennt hierbei das
grundsätzliche Interesse der Versicherer, die besonders kostenträchtigen und im Kostenrisiko
kaum überschaubaren rechtlichen Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen aller Art
auszuschließen, zumal Bauprozesse nur für einen kleinen Teil der Versicherungsnehmer in Betracht kommen. Allerdings muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht damit
rechnen, dass die Beschlussanfechtungsklage, die sich gegen Ausführungsbeschlüsse zur
Durchführung von Baumaßnahmen richtet, von einem solchen Versicherungsausschluss
umfasst sein sollen. Es fehlt der hinreichende Bezug zu dem spezifischen Baurisiko, da bei der
Beschlussanfechtungsklage nicht der Streit über die Baumaßnahme gelöst wird, sondern ein
so genannter Binnenrechtsstreit innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegt. Die
typischen Risiken einer Auseinandersetzung um Baumaßnahmen werden bei der
Beschlussanfechtungsklage nicht verwirklicht und es ist insbesondere zu berücksichtigen, dass
die Kosten für die Beschlussanfechtungsverfahren aufgrund besonderer Streitwertregelungen
im Gerichtskostengesetz kalkulierbar sind und damit keine unkalkulierbare Risikoerhöhung für
den Rechtsschutzversicherer mit sich bringen.

Der Gesetzgeber hat zu § 49 a GKG vorgesehen, dass zur Bemessung des Gegenstandswertes
grundsätzlich nur das hälftige Interesse der Beteiligten an dem Streitgegenstand
berücksichtigungsfähig ist. Diese Streitwertkappung schützt neben dem Wohnungseigentümer
insbesondere auch dessen Rechtsschutzversicherer, so dass dieser für die
Beschlussanfechtungsklagen vollen Umfangs Kostenschutz zu gewähren hat und nicht auf die
Baugenehmigungsbedürftigkeit etwaiger Maßnahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft
verweisen kann.

Praxishinweis

Soweit über den WEG-Verwalter die Zahlung der Verfahrenskosten erfolgt und erst über die
Jahresabrechnung eine Belastung mit Verfahrenskosten bei dem einzelnen
Wohnungseigentümer eintritt, kann diese Belastung gleichwohl an den
Rechtsschutzversicherer des betroffenen Wohnungseigentümers weiter gegeben werden. Es
empfiehlt sich daher, bei der Bekanntgabe der Beschlussanfechtungsklage den Kostenschutz
für das Verfahren bei dem jeweiligen Rechtsschutzversicherer des Wohnungseigentümers
anzufordern und spätestens mit der Beschlussfassung über die Jahreseinzelabrechnung den
Prozesskostenaufwand über den Versicherer zu kompensieren.

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