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Prüfungs- und Belehrungspflichten des Notars

(BGH, Urteil vom 22.07.2010, Az. III ZR 293/09)

Verletzt ein Notar seine Amtspflicht, wenn er im Beurkundungstermin nicht auf den zu diesem
Zeitpunkt noch im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und die damit
verbundenen Folgen hingewiesen hat?
Mit dieser Frage hat sich jetzt der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 22.07.2010
– Aktenzeichen III ZR 293/09 – befasst und sie bejaht.

Sachverhalt

Im Jahre 2005 beurkundete ein Notar in Krefeld den Kaufvertrag zwischen zwei
Parteien über eine von zwei zu veräußernden Eigentumswohnungen. Die Verkäuferin hatte
sich verpflichtet, das Objekt bis Ende 2006 bezugsfertig herzustellen. Der Kaufpreis sollte
nach Maßgabe eines der Makler- und Bauträgerverordnung entsprechendem
Ratenzahlungsplans entrichtet werden. Bei der Beurkundung wies der Notar auf den noch im
Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk nicht gesondert hin und bezeichnete
diesen im Kaufvertrag bei Aufzählung der Grundbuchbelastungen in Abteilung II lediglich als
„Vermerk“. Später konnte die Verkäuferin ihren vertraglichen Verpflichtungen wegen
finanzieller Schwierigkeiten nicht mehr nachkommen. Daraufhin kündigten die Käufer den
Bauträgervertrag und ließen zusammen mit anderen Wohnungseigentümern die noch
ausstehenden Sanierungsarbeiten auf eigene Kosten ausführen. Noch Ende September wurde
für die Verkäuferin ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens erfolgte im Herbst 2007.

Im Prozess gegen den beklagten Notar haben die Käufer die Verletzung seiner notariellen
Amtspflichten vorgeworfen, weil er sie im Beurkundungstermin nicht über den noch im
Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und die ihm angeblich bekannten
wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Verkäuferin unterrichtet habe. Sie machen einen
Schadensersatzanspruch in Höhe von nahezu € 175.000,00 geltend.

Die Käufer verloren zunächst den Prozess in zwei Instanzen mit der wesentlichen
Begründung, dass der Notar zwar seine bestehende notarielle Amtspflicht aus § 17 Abs. 1 S. 1
BeurkG dadurch verletzt habe, dass er bei Beurkundung des Kaufvertrages nicht auf den zu
diesem Zeitpunkt noch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk und dessen rechtlichen
Folgen hingewiesen hatte. Dennoch könne ein Schadensersatzanspruch nicht darauf gestützt
werden, weil der geltend gemachte Schaden außerhalb des Schutzzwecks der verletzten
Amtspflicht liege. Demgegenüber hatten die Käufer darauf hingewiesen, dass sie den
Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätten, wenn ihnen der noch eingetragene
Zwangsversteigerungsvermerk bekannt gewesen wäre, weil sie dann an der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit der Verkäuferin und Bauträgerin Zweifel gehabt hätten. Dieser Hinweis
reichte den Instanzgerichten nicht aus, sie vertraten die Auffassung, dass die
Belehrungspflicht des Notars über im Grundbuch eingetragene Belastungen nicht dazu diene,
es dem Grundstückskäufer zu ermöglichen, sich ein Bild über die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit des Verkäufers zu verschaffen.

Entscheidung

Der BGH stellt zunächst in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen fest, dass
der Notar gegen seine Amtspflicht aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG verstoßen hat, weil er die
Beteiligten über die rechtliche Tragweite des beurkundeten Kaufvertrages, zu der auch der
Hinweis auf die bestehenden Belastungen und deren Bedeutung gehört sowie über die
unmittelbaren rechtlichen Bedingungen für den Eintritt des beabsichtigten Rechtserfolgs nicht
belehrt hat. Auch sei der zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrags noch im
Grundbuch eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk gerade in rechtlicher Hinsicht deshalb
von maßgeblicher Bedeutung gewesen, weil die Anordnung der Zwangsversteigerung die
Beschlagnahme des Grundstücks und damit ein Veräußerungsverbot zur Folge hatte. Damit –
so der BGH – bestand bis auf weiteres ein Hindernis für den beabsichtigten Erwerb
lastenfreien Eigentums. Hierüber und über mögliche Sicherungsmaßnahmen hätte der Notar
deshalb unbedingt belehren müssen. Nur der anlässlich der Beurkundung des Kaufvertrags
erteilte Hinweis auf einen in Abteilung II des Grundbuchs eingetragenen „Vermerk“ werde
demgegenüber seinen Verpflichtungen zur Belehrung über die rechtliche Tragweite der noch
bestehenden Belastung in keiner Weise gerecht, zumal der Inhalt dieses „Vermerks“ weder
besprochen noch erläutert war.

Und auch dies schrieb der BGH den Parteien ins Urteil: Die rechtliche Wertung des
Berufungsgerichts, dass sich ein von den zum Zeitpunkt der Beurkundung des Kaufvertrages
im Grundbuch noch eingetragener Zwangsversteigerungsvermerk ausgehendes Risiko nicht
verwirklicht habe und die Vertragsdurchführung nicht an dieser Grundbucheintragung
gescheitert sei, greife zu kurz und ziehe die Grenzen des Schutzzwecks der zutreffend
angenommenen Belehrungspflicht über den Zwangsversteigerungsvermerk zu eng. Angesichts
der mit dem Abschluss eines Bauträgervertrages im Vergleich zu allgemeinen
Grundstücksgeschäften verbundenen erhöhten wirtschaftlichen Risiken für die Käufer hätten
diese vielmehr gerade darüber belehrt werden müssen, dass ein derartiger Vermerk als ein
Warnsignal für bestehende finanzielle Schwierigkeiten des Grundstückseigentümers zu
verstehen ist.

Kommentar

Der Notar war verpflichtet, nicht nur auf die durch einen solchen Vermerk für
die rechtliche, sondern auch auf die für die wirtschaftliche Durchführbarkeit des Vertrages
entstehenden Gefahren hinzuweisen. Diese Pflicht ist Ausfluss der sich aus § 14 BNotO
(Bundesnotarordnung) ergebenden so genannten erweiterten Belehrungspflicht, die sich in
Ausnahmefällen auch auf die wirtschaftlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts erstrecken kann.
Der Notar hätte also aufgrund der Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks auch die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und damit die Durchführbarkeit des Vertrags näher prüfen
müssen. Die Verletzung dieser Pflicht stellt die Grundlage für einen Schadensersatzanspruch
aus § 19 Abs. 1 BNotO dar.

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