Neues Spiel neues Glück? Abschaffung der Altvereinbarungen durch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes
Der Gesetzgeber hat zum 01.12.2020 das Wohnungseigentumsrecht grundlegend refor-miert und in dem neugefassten Wohnungseigentumsgesetz in den vorletzten Para-graphen eine Vorschrift platziert, die für die Verwaltungspraxis von besonderem Interesse ist. Der Standort dieser Vorschrift unter dem Abschnitt „Sonstiges“ wird der Bedeutung der gesetzgeberischen Anordnung nicht gerecht. Der Gesetzgeber ordnet an, dass Vereinbarungen, die vor dem 01.12.2020 getroffen wurden und die von den neugefassten Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes abweichen grundsätzlich keinen Bestand mehr haben, § 47 Satz 1 WEG.
Der Gesetzgeber strebt mit dieser Anordnung an, dass die neugefassten Vorschriften des Wohnungseigentumsrechtes nicht durch die Bestandskraft älterer Vereinbarungen in den Wohnungseigentümergemeinschaften ins Leere laufen. Es soll mithin eine Zäsur bewirkt werden, sodass für sämtliche Wohnungseigentümergemeinschaften die Vorgaben des neuen Rechtes Anwendung finden. Die älteren Vereinbarungen, insbesondere aus den Teilungserklärungen sollen nur Bestand haben, wenn sich aus der Vereinbarung der Wille ergibt, dass die Vereinbarung den gesetzlichen Vorgaben vorgehen soll. Für die hieraus erforderliche Auslegung ordnet der Gesetzgeber an, dass ein solcher Wille in der Regel nicht anzunehmen sei, § 47 Satz 2 WEG n.F.
In den Teilungserklärungen finden sich in der Regel zahlreiche Bestimmungen, die von der gesetzlichen Vorgabe des neugefassten Wohnungseigentumsgesetzes abweichen, sodass insbesondere zur Vorbereitung von Beschlussfassungen jeweils zu bewerten ist, ob die Bestimmungen der Teilungserklärung noch wirksam sind oder durch die Neufassung des Gesetzes ersetzt wurden. Im Zweifel hat die neue gesetzliche Regelung Vorrang.
Noch einfach zu beantworten ist diese Auslegungsfrage, sofern die ältere Teilungser-klärung lediglich den gesetzlichen Wortlaut einer Bestimmung des alten Wohnungseigentumsgesetzes wiederholt. Sofern mithin in der notariellen Urkunde lediglich das wieder-gegeben wurde, was seiner Zeit gesetzlich galt, wird diese Bestimmung durch das neue Wohnungseigentumsrecht ersetzt.
Schwierigkeiten bereitet indes die Bewertung von Bestimmungen, die bereits bei der Beurkundung der Teilungserklärung vom gesetzlichen Wortlaut abwichen. Insoweit kann nicht automatisch unterstellt werden, dass ein ausdrücklicher Wille bestand, entgegen auch künftiger gesetzlicher Regelungen diese besondere Klausel fortzuführen. In der Regel wird ein solcher Wille jedoch aus dem Wortlaut der Regelung selbst nicht ablesbar sein, sodass § 47 WEG eine echte Zäsur in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bewirkt.
Dies betrifft insbesondere etwaige Vereinbarungen zu abweichenden Kostenverteilungen, die nach der gesetzlichen Vorgabe im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu verteilen sind, § 16 Abs. 2 WEG. Von dieser Zäsur betroffen sein könnten ferner abweichende Regelungen zur Instandhaltung und Instandsetzung von Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums, die sich in dem Bereich eines Sondereigentums befinden, zum Beispiel für Fenster und Balkone. Betroffen von dieser Problematik ist auch die Zuweisung von Stimmrechten entgegen § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG n.F., sowie Verein-barungen für die Einhaltung einer besonderen Form für Vertretungsvollmachten, die nach § 25 Abs. 3 WEG n.F. lediglich noch der Textform bedürfen.
Bei der Einräumung von Ausbaurechten, insbesondere für Dachgeschossausbauten wird hingegen anzunehmen sein, dass diese Bestimmungen auch über die Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes hinaus gelten sollten.
Zur Vermeidung anfechtbarer Beschlüsse in Wohnungseigentümerversammlungen muss daher für den jeweiligen Beschlussgegenstand, der auf Regelungen aus der Teilungs-erklärung zurückgeht nunmehr geprüft werden, ob die Bestimmung der Teilungser-klärung aus § 47 WEG noch fort gilt oder ob für den Beschlussinhalt und die Mehrheits-erfordernisse die Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes Vorrang hat.
Der Gesetzgeber strebt mit der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes insbe-sondere die Reduzierung der Anzahl von Beschlussanfechtungsklagen an. Ob im Hinblick auf die hier angesprochene Auslegungsproblematik tatsächlich Streitigkeiten vermieden oder nicht eher gefördert werden, bleibt abzuwarten. Eine sorgfältige Vorbereitung der Wohnungseigentümerversammlungen ist zur Vermeidung von Regressansprüchen geboten.
Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht
BGH, Urteil vom 25.09.2020; V ZR 300/18 – Verwalterzustimmung
Die Nichtvorlage des Mietvertrags ist kein wichtiger Grund zur Verweigerung der nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer erforderlichen Zustimmung zur Vermietung (und zur Veräußerung) einer Eigentumswohnung.
AG Dortmund, Urteil vom 28.05.2020; 514 C 84/20 – Eigentümerversammlung in Pandemiezeiten
- Eine Eigentümerversammlung zur Unzeit liegt nicht vor, wenn die Abstandsregelungen zum Versammlungszeitpunkt eingehalten werden konnten; ob dies bei Erscheinen aller Eigentümer auch möglich gewesen wäre ist nicht entscheidend.
- Nach Landesrecht war eine Eigentümerversammlung nach dem 11.05.2020 nicht generell verboten.
- Wenn keine irreversiblen Schäden durch den Vollzug eines Eigentümerbeschlusses aus Corona-Zeiten drohen, ist die Vollziehung nicht durch einstweilige Verfügung zu stoppen.
Landgericht Frankfurt, Beschluss vom 31.08.2020; 13 S 87/19 – Niederlegung des Verwalteramtes
- Der Verwalter hat jederzeit die Möglichkeit, sein Amt niederzulegen, ohne dass es dafür besonderer Voraussetzungen bedarf. Die Erklärung der Niederlegung muss nicht gegenüber der Wohnungseigentümerversammlung erfolgen.
- Erfolgt die Niederlegung zur Unzeit, berührt dies die Wirksamkeit nicht, löst aber ggf. Schadensersatzansprüche aus.