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Mit der Übergabe von Unterlagen erfüllt ein Verkäufer seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die Unterlagen nicht nur zum Zwecke allgemeiner Information, sondern unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird.

BGH, Urteil 11.11.2011, Az. V ZR 245/10

Sachverhalt

Im Grundstückskaufvertrag über ein gebrauchtes, 759 m² großes Hausgrundstück wird die
Gewährleistung ausgeschlossen. Das Grundstück ist mit einem massiven Holzzaun
eingefriedet. In die Einfriedung einbezogen ist ein 185 m² großer Grundstücksteil des
Nachbargrundstücks. Für den unbefangenen Betrachter scheint diese Teilfläche aufgrund der
gärtnerischen Gestaltung und des Einfahrtsbereiches des Grundstückes dem verkauften
Grundstück zuzugehören. Der Käufer verlangt wegen unterlassener Aufklärung
Schadensersatz vom Verkäufer.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm verneint einen Schadensersatzanspruch. Dem Käufer seien vor
Kaufvertragsabschluss zwei Ordner mit Grundstücksunterlagen übergeben worden, in denen
sich nach Angaben der Verkäufer Lagepläne des Grundstücks befunden haben sollen, aus
denen sich der Grenzverlauf des Grundstücks mit hinreichender Deutlichkeit ergeben habe.

Der BGH hingegen hebt das Urteil des OLG Hamm auf und verweist den Rechtsstreit zurück.
In seinen Entscheidungsgründen weist der BGH darauf hin, dass der Verkäufer wusste, dass
der Gartenzaun fremden Grund und Boden einschloss. Da es der Rechtsprechung entspricht,
dass auch in Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen
verfolgen, es jedem Vertragspartner obliegt, den anderen Teil über solche Umstände
aufzuklären, die dem Vertragszweck des anderen vereiteln können und daher für seinen
Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind, hätte der Verkäufer den Käufer davon
unterrichten müssen, dass der Zaun nicht die Grenze des Grundstücks markiert. Der
Verkäufer habe seine Verpflichtung auch nicht dadurch erfüllt, dass er den Käufer einen
Ordner überließ, in dem sich neben dem Exposé auch Lagepläne des Grundstückes befanden.
Mit der Übergabe von Unterlagen erfüllt der Verkäufer seine Aufklärungspflicht nur dann,
wenn er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer die
Unterlagen unter einem bestimmten Gesichtspunkt gezielt durchsehen wird. Das soll z.B.
dann anzunehmen sein, wenn der Käufer im Zusammenhang mit möglichen Mängeln ein
Sachverständigengutachten vom Verkäufer erhält. Ein redlicher Verkäufer kann hingegen
nicht erwarten, dass ein Käufer einen ihm übergebenen Ordner mit Unterlagen zu dem
Kaufobjekt darauf durchsieht, ob in die Einfriedung des Grundstückes möglicherweise fremder
Grund einbezogen ist. Da der Verkäufer weiter behauptet, dass er mündlich den Käufer auf
den tatsächlichen Grenzverlauf hingewiesen habe, hat der BGH den Rechtsstreit zur weiteren
Aufklärung an das OLG Hamm zurückverwiesen.

Fazit

Die Verletzung von Aufklärungspflichten, d.h. die Verpflichtung, den anderen Teil auf
entscheidungserhebliche Umstände hinzuweisen, stehen zunehmend bei
Grundstücksgeschäften im Fokus der Aufmerksamkeit. Sowohl dem Verkäufer wie auch im
weiteren Verlauf dem Makler drohen Schadensersatzansprüche des Käufers gemäß § 280
Abs.1 BGB, wenn aufgrund unterlassener Aufklärung Gefahren für das Integritätsinteresse des
Käufers bestehen und sich verwirklichen können. Der Verkäufer kann sich nicht entlasten,
wenn er ohne besonderen Hinweis auf mögliche Mängel dem Käufer Unterlagen zur Verfügung
stellt und es dem Käufer überlässt, diese auf nicht angesprochene Mängelumstände
durchzusehen.

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