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Geltendmachung gemeinschaftsbezogener Gewährleistungsansprüche durch die Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. durch einzelne Wohnungseigentümer

BGH, 19.08.2010 – Az. V ZR 113/09

  1. Hat die Wohnungseigentümergemeinschaft mit Mehrheitsbeschluss die Ausübung
    gemeinschaftsbezogener Gewährleistungsrechte wegen Mängel an der Bausubstanz an sich
    gezogen, ist der einzelne Wohnungseigentümer jedenfalls dann nicht gehindert, dem
    Veräußerer eine Frist zur Mängelbeseitigung mit Ablehnungsandrohung zu setzen, wenn die
    fristgebundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung mit den Interessen der
    Wohnungseigentümergemeinschaft nicht kollidiert.
  2. Führt die Wohnungseigentümergemeinschaft, die die Ausübung der
    gemeinschaftsbezogenen Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz
    des Gemeinschaftseigentums an sich gezogen hat, Verhandlungen mit dem Veräußerer
    über die Beseitigung der Mängel, wird dadurch die Verjährung der
    Mängelbeseitigungsansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer gehemmt. Soweit eine
    gesonderte Ermächtigung nicht besteht, hemmt diese Verhandlung nicht die Verjährung
    der Ansprüche, die den Wohnungseigentümern nach Ablauf einer von ihnen mit
    Ablehnungsandrohung gesetzten Frist entstehen.

Sachverhalt

Zwei Wohnungseigentümer einer in den 90-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts errichteten
Wohnungseigentumsanlage verlangen von der beklagten Bauträgerin im Wege des großen
Schadensersatzes Rückabwicklung ihres jeweiligen Erwerbervertrages wegen Mängeln am
Gemeinschaftseigentum. Beide klagenden Wohnungseigentümer haben ihre
Eigentumswohnung 1998 erworben. Die Bauleistungen wurden vor dem 01.01.2000
abgenommen. Nach den Erwerberverträgen soll die den Bestimmungen des BGB
unterliegende Gewährleistung nicht vor dem 01. Januar 2000 beginnen.
Die Verwalterin verhandelte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum mit der Beklagten
seit April 2004. Im Oktober 2004 wurde in der Eigentümerversammlung die Verwalterin von
den Wohnungseigentümern bevollmächtigt, die Mängel am Gemeinschaftseigentum gerichtlich
geltend zu machen. Unter Einschaltung von Sachverständigen wurden weitere Verhandlungen
bis Ende 2007 geführt.
Die Kläger forderten im Jahre 2006 die Beklagte mit getrennten Schreiben unter Fristsetzung
zur Beseitigung von verschiedenen Baumängeln auf, u. a. Beseitigung der konstruktiv
fehlerhaften Dämmung der Loggien und der Beseitigung der konstruktiv und handwerklich
fehlerhaften Ausführung der Dachdeckung. Die Kläger erklärten die von ihnen für die
Beseitigung der Mängel gesetzte Frist für verlängerbar, wenn die Mängelbeseitigung in
Abstimmung mit dem Verwalter zeitnah in Aussicht stehe bzw. von der Beklagten schriftlich
zugesichert wäre.
Nachdem die Mängelbeseitigung nicht erfolgte, lehnten die Kläger weitere
Mängelbeseitigungsarbeiten ab und machen Schadensersatz wegen Nichterfüllung geltend.
Das Landgericht Berlin hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es fehle an einer
ordnungsgemäßen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung. Das Kammergericht hat der Klage
überwiegend stattgegeben.

Entscheidung

Der BGH weist die Revision des Bauträgers zurück. In den Entscheidungsgründen nimmt der
V. Senat Bezug auf die Entscheidung des Kammergerichts und führt im Übrigen aus: Soweit
die Revision der beklagten Bauträgerin sich darauf beruft, dass die Schreiben der Kläger von
2006 den gesetzlichen Anforderungen an eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht
genügen, weil sich die Kläger bereit erklärt haben, die Frist unter Umständen zu verlängern,
steht diese ausgesprochene Verlängerungsmöglichkeit der Wirksamkeit der Fristsetzung nicht
entgegen. Die zur Mängelbeseitigung gesetzte Frist wurde weder aufgehoben noch in das
Belieben der Beklagten gestellt.

Die Kläger haben in ihren Schreiben hinreichend deutlich gemacht, dass nach fruchtlosem
Ablauf der Frist Wandlung, Minderung oder Schadensersatz, ggf. Zug um Zug gegen
Rückgabe der Wohnungen, geltend gemacht werde. Sie haben ferner deutlich gemacht, dass
nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Beseitigung der Mängel durch die Beklagte abgelehnt
werde. Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist nicht deshalb unwirksam, weil die
Kläger auch angekündigt hatten, möglicherweise Minderung oder den sog. kleinen
Schadensersatz zu verlangen. Für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Rechte ist
zwar die Wohnungseigentümergemeinschaft zuständig, weil diese Rechte
gemeinschaftsbezogen sind und ein eigenständiges Vorgehen des einzelnen
Wohnungseigentümers nicht zulassen. Dies hat aber nicht die Unwirksamkeit der
Ablehnungsandrohung durch die Kläger zur Folge. Diese Ablehnungsandrohung ist vielmehr
insoweit wirksam, als die Kläger in Aussicht stellten, Wandlung oder großen Schadensersatz
geltend zu machen. Nur dann, wenn der Erwerber von vornherein ausschließlich die
Voraussetzungen für Ansprüche schaffen will, die er nur gemeinsam mit den anderen
Wohnungseigentümern durchsetzen kann, ist die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung
unwirksam. Auch die Tatsache, dass die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung erfolgte, als
die Wohnungseigentümergemeinschaft die das Gemeinschaftseigentum betreffenden
Gewährleistungsansprüche an sich gezogen hatte, macht die Fristsetzung mit
Ablehnungsandrohung durch die Kläger nicht unwirksam. Lässt sich die
Wohnungseigentümergemeinschaft die Rechte aus den einzelnen Erwerberverträgen auf
ordnungsgemäße Herstellung des Gemeinschaftseigentums durch Mehrheitsbeschluss
übertragen, so bezieht sich dieses Ansichziehen nicht auf die Rechte des einzelnen
Wohnungseigentümers, großen Schadensersatz zu verlangen, den Erwerbervertrag zu
wandeln oder von ihm zurückzutreten. Vielmehr ist der Erwerber von Wohnungseigentum
berechtigt, seine individuellen Ansprüche aus dem Vertrag mit dem Verkauf selbständig zu
verfolgen, so lange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der
Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt
sind. Der einzelne Erwerber kann in diesem Fall dem Veräußerer eine Frist mit
Ablehnungsandrohung selbst dann setzen, wenn die Gemeinschaft die Durchsetzung der
Mängelansprüche an sich gezogen hat. Das gilt jedenfalls für den Fall, dass die Gemeinschaft
ebenfalls Mängelbeseitigung fordert und noch keine weiteren Maßnahmen beschlossen hat,
sondern noch verhandelt. In diesem Fall ist die Interessenlage der Gemeinschaft mit der der
einzelnen Wohnungseigentümer grundsätzlich noch identisch.

Die Ansprüche der Kläger sind auch nicht verjährt. Die Verwaltung hatte seit April 2004
Verhandlungen mit der Beklagten aufgenommen. Durch die Versammlung vom Oktober 2004
hatte die Gemeinschaft die Gewährleistungsansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums
an sich gezogen und die Tätigkeit der Verwaltung genehmigt. Die Gemeinschaft war aber
nicht befugt, den Anspruch auf großen Schadensersatz, die Rückabwicklung der
Erwerberverträge geltend zu machen. Durch die Verhandlungen der Verwalterin im Jahre
2004 bis Ende 2007 war aber auch die Verjährung der Ansprüche der Kläger auf Beseitigung
der Mängel am Gemeinschaftseigentum gehemmt. Die Verwalterin war selbst nicht
Anspruchsinhaberin. Sie konnte deshalb durch Verhandlungen mit der Beklagten keine
Hemmung der Verjährung von nicht bestehenden Gewährleistungsansprüchen der
Wohnungseigentümergemeinschaft bewirken, sondern nur eine solche der einzelnen
Wohnungseigentümer. Die von der Verwalterin geführten Verhandlungen haben daher die
Verjährung der Mängelbeseitigungsansprüche der Kläger ebenso wie der anderen
Wohnungseigentümer gehemmt.

Fazit

Die umstrittene Frage, ob dadurch, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft
Gewährleistungsansprüche an sich zieht, der einzelne Erwerber nicht mehr wirksam eine Frist
zur Mängelbeseitigung dem Veräußerer setzen darf und insoweit von der Wahrnehmung
seiner Rechte ausgeschlossen ist, ist mit dieser Entscheidung jedenfalls für den Fall zu
Gunsten des Erwerbers entschieden, als er durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene
Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht
beeinträchtigt.

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