Allgemein Allgemeines Immobilienrecht Newsletter

Für Gartenbewässerung dürfen keine Abwassergebühren erhoben werden

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009, Az. 2 S 2650/08

Problem

Ein prachtvoller Garten bedarf im Sommer der regelmäßigen Wässerung. Das dafür
verbrauchte Wasser möchte allerdings auch bezahlt sein. Oftmals ist es so, dass die
anfallende Abwassergebühr sich spiegelbildlich nach dem verbrauchten Frischwasser bemisst.
Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das bezogene Frischwasser auch wieder in die
Kanalisation gelangt. Nicht selten ist dies ein Trugschluss. Das zur Gartenbewässerung
benutzte Wasser versickert meist, ohne in die Kanalisation eingeleitet zu werden. Soweit ein
Grundstückseigentümer dies mithilfe eines Wasserzählers beweisen kann, darf die Gemeinde
ihn – wenn die Abwassergebühren nach ihrer Satzung entsprechend dem
Frischwassermaßstab bemessen werden – für diese Wassermenge nicht mit
Abwassergebühren belasten. Die dem Verwaltungsgericht zur Prüfung vorgelegte
Abwassersatzung der Gemeinde sieht vor, dass die versickerten Wassermengen erst ab einem
Umfang von 20 Kubikmetern gebührenfrei sind.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht erklärt die Satzung für rechtswidrig. Versickerte Wassermengen seien vollen
Umfangs gebührenfrei zu stellen. Eine Regelung, nach der solche Wassermengen erst ab
einem Umfang von 20 Kubikmetern gebührenfrei gestellt seien, verstoße gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Ein solcher Schwellenwert führe dazu, dass
diejenigen, die bis zu 20 Kubikmetern des bezogenen Frischwassers zur Gartenbewässerung,
zur Befüllung von Zierteichen oder Wasserspielen nutzten und nicht in die Kanalisation
leiteten, im Verhältnis mehr Gebühren zahlen müssten als Nutzer, bei denen das bezogene
Frischwasser vollständig in den Abwasserkanal abfließe. Zwar beinhalte der
Frischwassermaßstab ohnehin die Möglichkeit, dass Gebühren nicht verursachungsgerecht,
sondern nur nach dem ungefähren Grad der Inanspruchnahme des Sielsystems festgesetzt
würden. Nicht das gesamte Frischwasser werde auch zu Abwasser, da bestimmte
Toleranzmengen im Rahmen der täglichen Haushaltsführung ganz einfach verbraucht würde.
Diese –geringen- Ungenauigkeiten seien aber marginal und deshalb von dem Nutzer
hinzunehmen. Auch könne der Haushaltsverbrauch etwa durch Trinken oder Sieden nicht
durch einen Wasserzähler gemessen werden, werden, anders als das für die
Gartenbewässerung verbrauchte Wasser. Auch die Nichtanwendung des Schwellenwertes auf
landwirtschaftliche Betriebe verstoße ungerechtfertigt gegen den Gleichheitssatz.

Fazit

Die Entscheidung des Gerichts ist ein Schritt in die richtige Richtung und führt zu einer
verursachungsgerechteren Festsetzung der Abwassergebühren. In Hamburg hat die Politik
entschieden, das gesamte Modell des Frischwassermaßstabs abzuschaffen und durch ein
durchweg gerechteres Modell zu ersetzen, welches zwischen Schmutz- und
Niederschlagswassergebühren differenziert. Hintergrund ist, dass in Hamburg in den
vergangenen Jahren mit zunehmender baulicher Verdichtung auch die versiegelte Fläche
zugenommen hat, von der aus auch Niederschlagswasser in das Sielnetz geleitet wird.
Niederschlagswasser ist kein Frischwasser, das aus dem Wasserhahn kommt, so dass der
Frischwassermaßstab hier nicht sachgerecht ist. 2012 wird es daher voraussichtlich zwei
verschiedene Abwassergebühren geben: Einerseits die Niederschlagsgebühr, die sich nach
einem der versiegelten Grundstücksfläche entsprechenden Schlüssel berechnet, andererseits
die Schmutzwassergebühr, für die weiterhin der Frischwassermaßstab gilt. Auf die
Schmutzwassergebühr dürften die Erkenntnisse aus dem hier vorgestellten Urteil übertragbar
sein.

Seite drucken
WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner