Allgemein Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist – wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört – einem Verbraucher gleichzustellen.

BGH, Urteile vom 25.03.2015, VIII ZR 243/13; VIII ZR 360/13; VIII ZR 109/14

Sachverhalt

In den drei vom BGH entschiedenen Fällen ging es jeweils um eine in einem
Gaslieferungsvertrag enthaltene formularmäßige Preisanpassungsklausel (Spannungsklausel),
nach der sich der Arbeitspreis für die Lieferung von Gas zu bestimmten Zeitpunkten
ausschließlich in Abhängigkeit von der Preisentwicklung für Heizöl ändert. Fraglich war, ob die
Klausel bei ihrer Verwendung gegenüber einer Wohnungseigentümergemeinschaft der
Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB standhält.

In den drei am 25.03.2015 verhandelten Verfahren haben die Wohnungseigentümergemeinschaften
geltend gemacht, dass sie als Verbraucher anzusehen seien. Deswegen sei die
Preisanpassungsklausel unwirksam, so dass sie die vom Versorgungsunternehmen verlangten
erhöhten Beträge nicht schuldeten bzw. ihnen ein Rückforderungsanspruch zustehe, soweit
sie die verlangten Beträge gezahlt hätten. In dem Verfahren VIII ZR 243/13 geht es dabei um
einen Betrag von 184.736,56 Euro für einen Lieferzeitraum von 2 ½ Jahren. Das
Berufungsgericht (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg) hatte in allen Verfahren ein
wirksames Preisanpassungsrecht bejaht und deshalb zugunsten des
Versorgungsunternehmens entschieden.

Entscheidung

Der BGH hat die Berufungsurteile aufgehoben und die Verfahren zurückverwiesen, damit die
erforderlichen Feststellungen zu dem jeweils geschuldeten Arbeitspreis – sowie im Verfahren
VIII ZR 243/13 zur personellen Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft –
nachgeholt werden können.

Nach Auffassung des BGH ist die Wohnungseigentümergemeinschaft im Interesse des
Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden
natürlichen Personen regelmäßig einem Verbraucher gleichzustellen, nämlich immer dann,
wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck
abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.
Entscheidend sei, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht
dadurch verliere, dass sie – durch den Erwerb von Wohnungseigentum kraft Gesetzes
(zwingend) – Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft werde. Hinzu komme, dass die
Wohnungseigentümergemeinschaft beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der
Regel – und damit auch bei Energielieferungsverträgen, die (wie hier) der Deckung des
eigenen Bedarfs dienten – zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder
und damit nicht zu gewerblichen Zwecken handele. Dies gelte auch dann, wenn die
Wohnungseigentümergemeinschaft bei Vertragsschluss durch eine gewerbliche
Hausverwaltung vertreten werde. Denn für die Abgrenzung von unternehmerischem und
privatem Handeln im Sinne der §§ 13, 14 BGB komme es im Falle einer Stellvertretung
grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an.

Unter Anwendung dieser Grundsätze sei in den Verfahren VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14
nach den vom Berufungsgericht bereits getroffenen Feststellungen und im Verfahren VIII ZR
243/13 nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt von einer
Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaften und damit von einer
Unwirksamkeit der den streitgegenständlichen Preiserhöhungen zugrunde liegenden
Vertragsbestimmungen auszugehen.

Fazit

Ähnliche formularmäßig vereinbarte Preisanpassungsklauseln wie die hier verwendete hatte
der BGH bereits in früheren Urteilen bei einer Verwendung gegenüber Unternehmern als
wirksam erachtet (BGH, Urt. v. 14.05.2014 – VIII ZR 114/13 – BGHZ 201, 230 und BGH, Urt.
v. 14.05.2014 – VIII ZR 116/13 – VersorgW 2014, 212); bei einer Verwendung gegenüber
Verbrauchern jedoch entschieden, dass sie der Inhaltskontrolle nicht standhalten, soweit sie
künftige Preisänderungen betreffen (BGH, Urt. v. 24.03.2010 – VIII ZR 178/08 – BGHZ 185,
96 und BGH, Urt. v. 24.03.2010 – VIII ZR 304/08 – WM 2010, 1050).

Nach den vorliegenden Entscheidungen kommt es für die Abgrenzung auf „das schwächste
Glied in der Kette“ an. Ein einziger Verbraucher als Mitglied einer
Wohnungseigentümergemeinschaft führt bereits zur Verbrauchereigenschaft der gesamten
Gemeinschaft.

Vorinstanzen
VIII ZR 243/13

LG Hamburg, Urt. v. 22.02.2013 – 318 O 35/12
OLG Hamburg, Urt. v. 17.07.2013 – 4 U 38/13
VIII ZR 360/13
LG Hamburg, Urt. v. 01.04.2010 – 309 O 99/09
OLG Hamburg, Urt. v. 12.11.2013 – 7 U 59/10
VIII ZR 109/14
LG Hamburg, Urt. v. 31.03.2011 – 316 O 89/09
OLG Hamburg, Urt. v. 06.03.2014 – 5 U 108/11

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