Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen verzögerter Beschlussfassung über notwendige Instandsetzungsmaßnahmen nach § 280 Abs.1 und 2, § 286 BGB scheidet aus, wenn der betroffene Wohnungseigentümer vorher gefasste Beschlüsse über die Zurückstellung der Instandsetzung nicht angefochten hat. Die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband ist jedenfalls dann dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, die unverzügliche Umsetzung eines Beschlusses zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums gegenüber dem Verwalter durchzusetzen, wenn der Beschluss den Zweck hat, einen Schaden am Gemeinschaftseigentum zu beseitigen, der das Sondereigentum des Wohnungseigentümers unbenutzbar macht.
BGH, Urteil 13.07.2012, V ZR 94/11
Sachverhalt
Die Kläger sind Miteigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Ihre Wohnung liegt
im dritten Obergeschoss. Im Juni 2006 drang nach heftigem Regen durch die Decke Wasser in
die Wohnung. Ein von den Klägern bestellter Sachverständiger stellte Hausschwamm fest.
Dieses Gutachten wurde der Wohnungseigentümergemeinschaft im November 2006 zugängig
gemacht. Im April 2007 beschloss die Wohnungseigentümerversammlung, ein gerichtliches
Sachverständigengutachten einzuholen. Der Schwammbefund wurde von dem gerichtlich
bestellten Sachverständigen bestätigt. Im Oktober 2007 beschlossen die
Wohnungseigentümer eine weitere Beobachtung des Schwammbefalls durch einen
Sachverständigen. Im April 2009 wurde eine Teilsanierung beschlossen. Der beauftragte
Handwerker lehnte eine Teilsanierung ab und erklärte, dass eine Gesamtsanierung notwendig
sei. Im November 2009 wurde die Gesamtsanierung beschlossen. Die Kläger haben keinen
Beschluss angefochten. Sie verlangen von den Wohnungseigentümern Ersatz der Kosten für
die Anmietung einer anderen Wohnung für die Zeit von 01.12.2007 bis August 2009 und
Feststellung des Verzugs mit der Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums.
Entscheidung
Der BGH verneint einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anmietung der Wohnung und
des Umzugs. Voraussetzung für diese geltend gemachten Ansprüche sei, dass die
Wohnungseigentümer verpflichtet waren, die umgehende Sanierung des
Gemeinschaftseigentums zu beschließen und mit der Instandsetzung in Verzug geraten sind.
Ein pflichtwidriges Verhalten lag im Jahre 2008 bei der Wohnungseigentümergemeinschaft
nach Auffassung des BGH nicht vor. Die Kläger hatten das Gutachten übersandt, aus dem sich
der Verdacht auf einen Schaden ergab, dessen Beseitigung erhebliche Kosten erwarten ließ.
Die Wohnungseigentümer konnten sich deshalb zunächst Aufklärung darüber verschaffen, wie
die festgestellten Schäden zweckmäßigerweise zu beheben waren. Es durfte deshalb zunächst
die Einholung eines Gerichtsgutachtens im selbstverständigen Beweisverfahren beschlossen
werden. Als das Gutachten vorlag, konnten die Wohnungseigentümer dieses prüfen. Hierfür
setzt der BGH einen Zeitraum von etwa sechs Wochen an, so dass bis zum 30.06.2008 den
Wohnungseigentümern eine Pflichtwidrigkeit nicht vorgeworfen werden könne. Die
Wohnungseigentümer haben im Anschluss an die Prüfung im Oktober 2008 eine weitere
Beobachtung des Schadens bzw. im April 2009 eine Teilsanierung beschlossen. Auch wenn
dieses Verhalten pflichtwidrig gewesen sein sollte, ist den Klägern nach Auffassung des BGH
doch entgegenzuhalten, dass sie die Beschlüsse nicht angefochten haben, sondern
bestandskräftig werden ließen. Die Beschlüsse mussten dann vom Verwalter umgesetzt
werden. Insoweit ist, auch wenn das Verhalten der Wohnungseigentümer in den gefassten
bestandskräftigen Beschlüssen nicht ohne weiteres ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach,
ein Verschulden der Wohnungseigentümer nicht gegeben. Ein inhaltlich fehlerhafter Beschluss
wird zwar durch den Eintritt der Bestandskraft nicht fehlerfrei. Er bleibt aber nach § 23 Abs.4
Satz 2 WEG gültig und muss wie alle anderen Beschlüsse von dem Verwalter umgesetzt
werden.
Hinsichtlich des Feststellungsantrages der Kläger, dass die Wohnungseigentümer die
Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums verzögert hätten, bejaht der BGH den Anspruch
der Kläger. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist dem einzelnen Wohnungseigentümer
aus dem mitgliedschaftlichen Treueverhältnis heraus verpflichtet, den Verwalter zu
unverzüglicher Umsetzung der Beschlüsse anzuhalten. Der Verband ist dem einzelnen
Wohnungseigentümer gegenüber verpflichtet, diesen Anspruch gegenüber dem Verwalter
durchzusetzen, wenn die Beschlüsse den Zweck haben, einen Schaden am
Gemeinschaftseigentum zu beseitigen. Mit der Umsetzung der Beschlüsse waren die
Wohnungseigentümer ab 21.12.2009 im Verzug. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss
bestandskräftig geworden. Die beklagten Wohnungseigentümer wussten, dass der
Schwammschaden beseitigt werden musste. Ihnen war kein weiterer Vorbereitungszeitraum
einzuräumen, da der bereits angefragte Handwerker nur eine Gesamtsanierung vorgeschlagen
hatte, weil eine Teilsanierung zwecklos sei und die Wohnungseigentümer darüber hinaus
durch eine Ordnungsverfügung der Stadt auch zur Sanierung bereits aufgefordert waren.
Fazit
Die Entscheidung zeigt, dass – auch – beim Schaden im Gemeinschaftseigentum der einzelne
Wohnungseigentümer zur Tätigkeit verpflichtet ist, um weiteren Schaden vom
Sondereigentum bzw. seinem Vermögen abzuwenden. Beschlüsse, die nicht
ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, sollten von ihm deshalb angefochten werden. Die
Durchsetzung bestandskräftiger Sanierungsbeschlüsse sollte er – beweisbar – gegenüber der
Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Verwalter anmahnen. Nur ausnahmsweise, wenn
aufgrund der bereits vorliegenden Erkenntnisse die Dringlichkeit der Sanierungsarbeiten
bekannt ist, bedarf es keiner weiteren Vorbereitungszeit, sondern die Gemeinschaft muss
selbst handeln und tätig werden.