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Eigenbedarfskündigung für Nichten und Neffen?

Leibliche Nichten und Neffen sind wie die Geschwister des Vermieters kraft ihres
Verwandtschaftsverhältnisses zum Vermieter privilegierte Familienangehörige im
Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und geben dem Vermieter ein berechtigtes
Interesse zur Beendigung des Mietverhältnisses.

BGH am 27.01.2010 (Az. VIII ZR 159/09).

Der Fall

Die in einem Pflegeheim lebende betagte Vermieterin kündigte den Mietern ihrer
Eigentumswohnung wegen Eigenbedarf, da ihre Nichte in die Wohnung ziehen sollte, um in
der Nähe der Vermieterin zu leben und diese in dem nahe gelegenen Pflegeheim zu
versorgen. Da die Mieter nicht auszogen, erhob die Vermieterin Räumungsklage. Das
Amtsgericht hat die Eigenbedarfskündigung für gerechtfertigt gehalten. Das Landgericht als
Berufungsgericht hat die Eigenbedarfskündigung als unwirksam verworfen, da die
Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht erfüllt seien: Weder die Vermieterin, noch
die Nichte benötigen die Wohnung, da die Vermieterin im Pflegeheim hinreichend von dem
dortigen Personal versorgt werde und daher nicht auf die ergänzende Pflege der Nichte
angewiesen sei. Außerdem zähle die Nichte nicht zu dem privilegierten Personenkreis des
§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Rechtlicher Hintergrund

Für eine ordentliche Kündigung benötigt der Vermieter gemäß
§ 573 Abs. 1 BGB ein „berechtigtes Interesse“. § 573 Abs. 2 BGB zählt Beispiele für das
Vorliegen eines berechtigten Interesses auf. In Nr. 2 heißt es dazu:

„…ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn… der Vermieter die Räume
als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts
benötigt.“

Ein Vermieter kann also eine Eigenbedarfskündigung aussprechen, wenn seine
Familienangehörigen die Wohnung beziehen wollen. Man spricht bei diesen den Eigenbedarf
begründenden Familienangehörigen von den sogenannten „privilegierten
Familienangehörigen“. Hintergrund dieser Kündigungsmöglichkeit für den Vermieter ist, das
das Gesetz laut BGH davon ausgehe, dass innerhalb der Familie aufgrund enger
Verwandtschaft ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität
bestehe, welches die Privilegierung einer Kündigung zugunsten von Familienangehörigen
rechtfertige.

Welche Personen gehören aber zu dem Kreis der sogenannten „privilegierten
Familienangehörigen“? Schon seit langem sind die Eltern des Vermieters, seine Kinder und
auch seine Stiefkinder als privilegierte Familienangehörigen durch die Rechtsprechung
anerkannt. In seinem Urteil vom 09.07.2003 (Az. VIII ZR 276/02) hat der BGH entschieden,
dass auch die Geschwister des Vermieters zu dem Kreis der privilegierten
Familienangehörigen gehören, da zwischen Geschwistern ein enges Verwandtschaftsverhältnis
besteht.

Bei Geschwistern bedarf es deshalb auch nicht eines zusätzlichen Kriteriums, wie etwa einer
engen sozialen Bindung zum Vermieter, um eine Eigenbedarfskündigung zu begründen, es
reicht allein der Verwandtschaftsgrad. Eines solchen zusätzlichen Tatbestandsmerkmals
bedarf es nur bei entfernten Verwandten. Dabei wird auf die konkrete persönliche oder soziale
Bindung zwischen dem Vermieter und dem Verwandten abgestellt. Je weitläufiger der Grad
der Verwandtschaft ist, umso enger muss die persönliche oder soziale Bindung zwischen
Vermieter und dem Verwandten sein.

Was sagt das Gericht

Mit Urteil vom 27.01.2010 verurteilt der BGH die Mieter zur
Räumung und Herausgabe der Wohnung. Laut BGH ist vom Bestehen einer familiären
Verbundenheit, die nicht im Einzelfall nachgewiesen sein muss, auch bei Nichten und Neffen
des Vermieters auszugehen. Sie sind als Kinder der Geschwister des Vermieters immer noch
eng verwandt. Dies leitet der BGH aus anderen gesetzlichen Regelungen ab, bei denen
Nichten und Neffen als Familienangehörige allein aufgrund ihrer engen verwandtschaftlichen
Beziehung privilegiert werden, ohne dass eine tatsächliche persönliche Verbundenheit im
Einzelfall nachgewiesen werden muss. Beispielhaft hierfür sei das Zeugnisverweigerungsrecht,
welches auch Nichten und Neffen der Partei als Verwandten in gerader Linie zustehe.

Praxishinweis

Auch Nichten und Neffen gehören damit zu den privilegierten
Familienangehörigen eines Vermieters im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und geben dem
Vermieter ein berechtigtes Interesse zur Eigenbedarfskündigung seiner Immobilie. Durch
diese Entscheidung hat der BGH erneut den unbestimmten Begriff der „Familienangehörigen“
des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB weiter konkretisiert und den Kreis der privilegierten
Familienangehörigen erweitert.

Um eine Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zu verhindern, darf in dem
Kündigungsschreiben jedoch nicht vergessen werden, eine genaue Begründung, warum der
Vermieter oder seine Familienangehörigen die Wohnung benötigen, anzugeben. Hintergrund
dieser Regelung ist, dass der Mieter sich anhand der schriftlichen Begründung ein Bild davon
machen können muss, ob die Kündigung berechtigt ist oder nicht.

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