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Betriebskostenrecht: Einwendungsfrist des Mieters

BGH, Urteil vom 08.12.2010, VIII ZR 27/10

Sachverhalt

Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis über nicht preisgebundenen Wohnraum. In
der Revision wird um einen Nachzahlungsbetrag aus einer Nebenkostenabrechnung für den
Abrechnungszeitraum 2005/2006 gestritten. Die Abrechnung enthält bei den angewendeten
Verteilerschlüsseln eine Rubriküberschrift „Abrechnungsart“. Darin werden für 14
abgerechnete Betriebskostenarten zur Ermittlung des Mieteranteils jeweils
Quadratmeterflächen ins Verhältnis zueinander gesetzt, die ohne Erläuterung voneinander
abweichen. Es werden insgesamt sieben verschiedene Gesamtflächenangaben und zwei
verschiedene Angaben zur anteiligen Mieterfläche mitgeteilt. Die Abrechnung enthält darüber
hinaus noch weitere Fehler. Der Mieter bringt seine Einwendungen gegen die Abrechnung
erstmals im Gerichtsverfahren und damit außerhalb der Einwendungsfrist gem. § 556 Abs. 3
S. 5 BGB vor. Das Berufungsgericht entscheidet zu Gunsten der Vermieterin und gibt der
Klage statt, dies mit dem Hinweis darauf, dass die Einwendungsfrist von einem Jahr auch für
die Beanstandung formeller Mängel der Betriebskostenabrechnung gelte. Der Mieter sei daher
nach Ablauf von 12 Monaten ab Erhalt der Abrechnung mit weiteren Einwendungen
ausgeschlossen. Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich die Revision.

Rechtlicher Hintergrund

Mit dem Mietrechtsreformgesetz vom 19.06.2001 wurden durch den Gesetzgeber neue Fristen
im Betriebskostenrecht eingeführt. Der Vermieter hat gem. § 556 Abs.3 S.2 BGB spätestens
bis zum Ablauf des zwölften Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraumes gegenüber
dem Mieter über die Betriebskosten abzurechnen. Als Ausgleich dafür hat der Mieter gemäß
§ 556 Abs.3 S.5 BGB etwaige Einwendungen gegen die Abrechnung spätestens ein Jahr nach
dem Zugang der Betriebskostenabrechnung mitzuteilen. Ausnahmen gelten für beide Fristen,
wenn die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten ist.

Die Entscheidung

Der BGH hat nun entschieden, dass die Einwendungsfrist bei Zugang einer formell
fehlerhaften Betriebskostenabrechnung nicht in Gang gesetzt wird. Bei einer teilunwirksamen
Abrechnung gilt dies nur für die nicht formell ordnungsgemäß abgerechneten
Kostenpositionen. Erstreckt sich ein formeller Fehler nicht auf alle Abrechnungspositionen,
nimmt der BGH nur eine teilunwirksame Abrechnung unter der Voraussetzung an, dass die
unwirksamen Einzelpositionen aus der Abrechnung unschwer heraus gerechnet werden
können (BGH Urteil vom10.08.2010 – VIII ZR 45/10).
Zur Begründung führt der BGH aus, dass das Ziel des Gesetzgebers – eine möglichst rasche
Abwicklung von Abrechnungsprozessen zu gewährleisten – bereits dadurch erreicht sei, dass
die Nachforderung aus einer formell unwirksamen Abrechnung nicht fällig wird und nach
Ablauf der Abrechnungsfrist auch nicht mehr nachträglich fällig gestellt werden kann.
Andernfalls würde die Ausgewogenheit der beiderseitigen fristgebundenen Pflichten in Frage
gestellt, indem die der Abrechnung anhaftenden Mängel nach Ablauf der Einwendungsfrist
quasi „geheilt“ würden, obwohl der Vermieter seiner Verpflichtung zur Erteilung einer
ordnungsgemäßen Abrechnung gerade noch nicht nachgekommen sei. Mit einer wegen
formeller Fehler unwirksamen Abrechnung genüge der Vermieter seiner Abrechnungspflicht
deshalb nicht. Der Mieter könne in diesem Fall eine erneute Abrechnung verlangen. Für den
Mieter würde es daher auch an einer ausreichenden Urteilungsgrundlage für eine zuverlässige
inhaltliche Überprüfung der Betriebskostenabrechnung fehlen, so dass er regelmäßig daran
gehindert sie, die Richtigkeit einer solchen Abrechnung innerhalb der Einwendungsfrist
hinreichend zu prüfen.

Konsequenzen für die Praxis

Der BGH hat sein eigenes Argument über die Ausgewogenheit der Regelungen an anderer
Stelle überhaupt nicht beachtet. So soll die Einwendungsfrist auch für die Einwendung des
Mieters laufen, dass in der Abrechnung über Betriebskosten abgerechnet werde, für die es an
einer wirksamen Umlagevereinbarung im Mietvertrag fehlt (BGH ZMR 2008, 81) oder für die
nur eine Pauschale vereinbart ist (BGH Urteil vom 12.01.2011-VIII ZR148/10). Mit den in
Rechtsprechung und Praxis ohnehin bestehenden Abgrenzungsproblemen zwischen formellen
und materiellen Mängeln wird bei Zugang der Abrechnung nie mit absoluter Sicherheit
feststehen können, ob nun eine formell ordnungsgemäße Abrechnung vorliegt oder nicht.
Dem Mieter wird daher die Chance geboten, dennoch einen (erfolgreichen) Prozess gegen die
Abrechnung führen zu können, indem er sich auch bei abgelaufener Einwendungsfrist nur auf
die formelle Unwirksamkeit der Abrechnung zu berufen braucht. Dem vom Gesetzgeber
gewünschten Abrechnungsfrieden wird damit entgegengewirkt. Vermieter und Verwalter
sollten dennoch den Ablauf der Einwendungsfrist abwarten, bevor eine Klage eingereicht wird
sofern bis dato nicht bereits Einwendungen mieterseits vorgebracht sind. Der Zugang der
Abrechnung und damit auch der Beginn der Einwendungsfrist sollte unbedingt nachgewiesen
werden können. Ist dies der Fall, sollten keine „schlafenden Hunde“ geweckt werden, wenn
keine Einwendungen vorgebracht werden.

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