Können zusätzliche Nachweisleistungen die Vorkentenntnisse entfallen lassen?
Vorkenntnis bedeutet nicht nur Kenntnis von dem zur Veräußerung stehenden Objekt und dem Veräußerer, sondern bezieht auch weitere Mindestkenntnisse der Vertragsgelegenheit mit ein. Eine eigenständige provisionsauslösende – zusätzliche – Information kann deshalb auch durch die Aushändigung vertragswesentlicher Unterlagen, wie Wertgutachten, Sonderexpertisen etc. erbracht werden, ebenso wie die Durchführung der Besichtigung des Objekts und die Beantwortung grundstücksrelevanter Fragen eine wesentliche Maklerleistung darstellen können.
OLG Hamm, Urteil vom 29.03.2021; 18 U 18/20
Sachverhalt:
Ein Makler erhält vom Betreuer einer Grundstückseigentümerin den Auftrag, Kaufinteressenten nachzuweisen bzw. einen Kaufvertrag zu vermitteln. Eine Nachbarin, die spätere Beklagte, wirft in den Briefkasten des leerstehenden Hauses einen Brief und zeigt ihr Kaufinteresse an. Der Makler erhält diesen Brief und vereinbart mit der Beklagten einen Besichtigungstermin. Er übersendet ihr ein Exposé mit Provisionsforderung und weitere Unterlagen. Die Beklagte unterschreibt eine Reservierungsvereinbarung. Fragen der Beklagten zum Grundstück werden vom Makler beantwortet. Der Betreuer der Eigentümerin verstirbt. Ein neuer Betreuer wird bestellt, sodass es zu zeitlichen Verzögerungen kommt. Die Beklagte schließt den Kaufvertrag ab. Sie weigert sich, die Provision zu zahlen und bestreitet das Zustandekommen des Maklervertrags und die Erbringung einer Maklertätigkeit, insbesondere einer Nachweistätigkeit.
Entscheidung:
Das Landgericht hat die Provisionsklage des Maklers abgewiesen. Das OLG Hamm gibt der Berufung des Maklers statt. Das Gericht führt aus, dass selbst dann, wenn der Makler vom Betreuer keinen Verkäufer-Maklerauftrag erhalten hätte, er jedoch für den Kaufinteressenten tätig werden könnte. Entscheidend ist lediglich, dass er für den Kaufinteressenten provisionspflichtig eine Maklerleistung erbracht hat.
Zur Vorkenntnis im Hinblick auf die Nachweisleistung des Maklers gehört es nach Auffassung des Gerichts nicht nur, dass es sich hierbei um die Bekanntgabe einer dem Maklerkunden bislang unbekannten Abschlussgelegenheit handeln muss; die Frage der Vorkenntnis ist vielmehr eine solche der Kausalität der Maklerleistung. Vorkenntnis bedeutet nicht nur Kenntnis von dem zur Veräußerung stehenden Objekt, sondern bezieht neben der Person des potentiellen Vertragspartners auch die Vertragsgelegenheit mit ein, für die gewisse Mindestkenntnisse gefordert werden. Der Umstand, dass der auf Vorkenntnis sich berufende Kaufinteressent nur allgemein die Kenntnis des Objekts behauptet, gleichwohl aber umfangreiche Unterlagen vom Makler anfordert, kann Zweifel am Vorliegen hinreichender Vorkenntnis begründen. Erbringt der Makler eine wesentliche Maklerleistung durch Hinweis auf bestimmte vertragsrelevante Umstände, die dem Kunden unbekannt waren, kann der Makler mithin eine eigenständige provisionsauslösende, mithin zusätzliche, Nachweisleistung erbringen. Solche zusätzlichen Informationen können beispielsweise durch Aushändigung vertragswesentlicher Unterlagen wie zum Beispiel Wertgutachten, Expertisen und ähnliche Schriftstücke erbracht werden. Eine wesentliche Maklerleistung wird auch durch eine Besichtigung erbracht.
Fazit:
Soweit der Makler für den Kunden – nur – nachweisend und nicht vermittelnd tätig wird, steht er in der Gefahr, dass vom Kunden Vorkenntnis von der Vertragsgelegenheit behauptet wird. Für das Vorliegen der Vorkenntnis ist der Kunde beweispflichtig. Je umfangreicher die vom Makler erbrachten Leistungen sind, wie z.B. Besichtigungen, Beschaffung und Aushändigung von vertragswesentlichen Unterlagen, umso mehr spricht dies dafür, dass die Nachweisleistung des Maklers mitursächlich für den Abschluss des Kaufvertrags geworden ist.