Schonfristzahlung heilt nur fristlose Kündigung
Ein innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB erfolgter Ausgleich des Mietrückstands bzw. eine entsprechende Verpflichtung einer öffentlichen Stelle hat lediglich Folgen für die auf § 543 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 3 BGB gestützte fristlose, nicht jedoch für eine aufgrund desselben Mietrückstands hilfsweise auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützte ordentliche Kündigung. Diese (beschränkte) Wirkung des Nachholrechts des Mieters entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, so dass der an Gesetz und Recht gebundene Richter (Art. 20 Abs. 3 GG) diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen darf, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war (im Anschluss an BVerfGE 69, 315, 372; 82, 6, 12 f.)
BGH, Urteil vom 13.10.2021; VIII ZR 91/20
Sachverhalt:
Der Vermieter eines Wohnungsmieters kündigte diesem wegen Zahlungsverzugs fristlos und hilfsweise ordentlich und verklagte den Mieter auf Räumung der Wohnung. Der Mieter glich den kompletten Zahlungsrückstand innerhalb der Schonfrist komplett aus und konnte dadurch die Wirkungen der fristlosen Kündigung beseitigen. Hintergrund: Kündigt der Vermieter ein Mietverhältnis wegen Zahlungsverzuges des Mieters fristlos, kann der Mieter die Kündigung durch vollständige Nachzahlung der Rückstände bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs beseitigen. Dieselbe Wirkung hat es, wenn sich eine öffentliche Stelle zur Zahlung der Rückstände verpflichtet. Diese sogenannte Schonfristzahlung ist in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geregelt. Ausgeschlossen ist eine Schonfristzahlung lediglich dann, wenn der Mieter in den letzten zwei Jahren schon einmal eine fristlose Kündigung auf diesem Wege beseitigt hat.
Obwohl der BGH schon mehrfach entschieden hatte, dass die hilfsweise ordentliche Kündigung trotz Schonfristzahlung weiterhin wirksam sei, ist die 66. Zivilkammer des LG Berlin anderer Auffassung, zuletzt in einem Urteil vom 30.03.2020, 66 S 293/19. In der ausführlich begründeten Entscheidung widersprechen die Berliner Richter der Linie des BGH und vertreten die Auffassung, § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gelte auch bei einer ordentlichen Kündigung, sodass eine Nachzahlung der Mietrückstände auch deren Wirkung beseitige. Dies begründet das LG Berlin unter anderem mit der Systematik des Gesetzes und dem Zweck der Schonfristzahlung, eine Obdachlosigkeit des Mieters zu vermeiden.
Entscheidung:
Der BGH hat das Urteil des LG Berlin nun aufgehoben und bleibt bei seiner bisherigen Rechtsprechung, sodass eine Schonfristzahlung nach wie vor nur eine fristlose, nicht aber eine ordentliche Kündigung zu heilen vermag. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, und am Wortlaut komme man bei der Auslegung des Gesetzes nicht vorbei.
In diesem Zusammenhang richtet der BGH deutliche Worte an die Berliner Richter: Diese hätten „die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung missachtet“ und die „Anforderungen an eine den anerkannten Methoden entsprechendes Vorgehen zur Ermittlung der Regelungskonzeption des § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 BGB grundlegend verkannt“. Die auf die fristlose Kündigung beschränkte Wirkung der Schonfristzahlung entspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Der an Recht und Gesetz gebundene Richter dürfe diese Entscheidung nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Gesetzgebungsverfahren (bisher) nicht erreichbar war.
Fazit:
Dass der BGH das LG Berlin daran erinnern muss, dass ein Richter an Recht und Gesetz gebunden sei, ist ein einmaliger Vorgang und an Deutlichkeit nicht zu überbieten. Die aktuelle Gesetzeslage ändern kann nur der Gesetzgeber. Die neue Ampelkoalition hat im Koalitionsvertrag dieses Thema bereits leicht angedeutet, so dass hier möglicherweise zukünftig eine Gesetzesänderung erfolgen könnte. Bis dahin sind die Gerichte jedoch gehalten, sich an das Gesetz zu halten und nicht Rechtspolitik zu betreiben.