Beschluss über die Wohngeldvorschüsse ist nur bei evidenten Fehlern mit Erfolg anfechtbar
Bei der Beschlussfassung über die Vorschüsse zur Kostentragung steht den Wohnungseigentümern sowohl hinsichtlich der einzustellenden Positionen als auch im Hinblick auf deren Höhe ein weites Ermessen zu. Anfechtbar kann der Beschluss allenfalls dann sein, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung evident ist, dass er zu weit überhöhten oder wesentlich zu niedrigen Vorschüssen führt.
BGH, Urteil vom 26.09.2025; V ZR 108/24
Sachverhalt
In einer Wohnungseigentümerversammlung wird im Juni 2022 über die Höhe der monatlichen Wohngeldbeiträge der Wohnungseigentümer auf der Grundlage der Einzelwirtschaftspläne beraten. Die von der Verwaltung vorbereiteten Einzelwirtschaftspläne werden mehrheitlich akzeptiert und die hieraus abgeleiteten zu zahlenden Wohngeldvorschüsse beschlossen. Ein Wohnungseigentümer meint, dass die Kalkulation der für das Jahr 2022 zu erwartenden Kosten fehlerhaft vorgenommen worden sei und erhebt fristgerecht die Beschlussanfechtungsklage, mit der der Wohnungseigentümer anstrebt, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird.
Entscheidung
Der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes greift in dem Revisionsverfahren die bisher nicht entschiedene Rechtsfrage auf, nach welchem Erkenntnisstand die Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses über die Wohngeldbeiträge zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht hatte die Auffassung vertreten, dass ein großzügiger Spielraum zur Schätzung der zu erwartenden Kosten des Wirtschaftsjahres einzuräumen sei. Bei dem Wirtschaftsplan handele es sich um eine Prognose über die voraussichtlich anfallenden Ausgaben. Für die Beschlussfassung über die laufenden Wohngeldbeiträge wären die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung nur verletzt, wenn wesentlich überhöhte Kostenansätze vorhanden sein oder mit erheblichen Nachschüssen zurechnen sei. Diese Einschätzung teilt der Bundesgerichtshof und bekräftigt, dass es dem Verwalter ermöglicht werden soll, mit dem Wohngeldeinnahmen die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu begleichen. In dem Wirtschaftsplan sind daher alle Ausgaben anzusetzen, die bereits feststehen oder in dem Wirtschaftsjahr zu erwarten sind. Die Wohnungseigentümer haben bei der Beschlussfassung über die Wohngeldvorschüsse ein weites Ermessen und sind insbesondere an die Kalkulation des Wohnungseigentumsverwalters nicht gebunden. Die Annahme eines erhöhten Kostenanfalls ist von diesem Ermessen grundsätzlich gedeckt. Anfechtbar kann der Beschluss über die Wohngelder allenfalls dann sein, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung evident ist, dass weit überhöhte oder wesentlich zu niedrige Kostenansätze berücksichtigt werden.
In dem vorliegenden Sachverhalt war ein Kostenansatz von 1.500,00 € für die Anmietung einer Fahrradgarage eingestellt und der Kläger meinte, dass der zugrunde liegende Vertrag nicht wirksam geschlossen sei. Für die Bemessung der Wohngeldbeiträge ist diese streitige Frage indes nicht maßgeblich, da der Kostenaufwand für die Anmietung der Fahrradgarage zu erwarten war. Die Wohnungseigentümer hatten ferner aufgrund eines erfolgten Verwalterwechsels vorsorglich eine Zusatzvergütung für einen neuen Verwalter in Höhe von 3.000,00 € in dem Wirtschaftsplan eingestellt, auch dies beanstandete der Bundesgerichtshof ebenso wenig wie eine vorsorglich aufgenommene Position von Rechtsberatungs- und Gerichtskosten in Höhe von 12.000,00 €. Da die Erwartung bestand, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kommen kann, ist der auf einer Schätzung beruhende Kostenansatz ebenfalls von dem Ermessen der Wohnungseigentümer gedeckt.
Schließlich können die Wohnungseigentümer Zuschläge für die laufenden Betriebskosten hinzurechnen, um etwaigen Verbrauchsschwankungen und Kostensteigerungen vorab Rechnung zu tragen.
Für die Zuführung zur Erhaltungsrücklage besteht ebenfalls ein weites Entschließungsermessen, ohne dass ein konkreter Reparaturbedarf bereits erkannt sein muss. Im Ergebnis blieben die Einwendungen des klagenden Wohnungseigentümers mithin ohne Erfolg.
Praxishinweis
Die Anfechtung beschlossener Wohngeldvorschüsse auf der Grundlage von Einzelwirtschaftsplänen, die formell den Anforderungen genügen, ist regelmäßig ohne hinreichende Erfolgsaussicht. Aufgrund des weiten Ermessens sind die in die Wirtschaftspläne eingestellten Kostenansätze der Höhe nach grundsätzlich nicht zu beanstanden. Lediglich bei der Berücksichtigung eines fehlerhaften Kostenverteilungsmaßstabes oder einer formal nicht ordnungsgemäßen Gestaltung der Einzelwirtschaftspläne kann die Beschlussfassung über die Wohngeldbeiträge anfechtbar sein, wenn die Fehlerhaftigkeit des Wirtschaftsplans auf die Höhe der Wohngeldbeiträge durchschlägt. Zu bedenken ist ferner, dass die Höhe der beschlossenen Wohngeldbeiträge aus der Beschlussfassung konkret sich ergeben muss. Eine lediglich allgemeine Beschlussfassung zur Genehmigung der Einzelwirtschaftspläne oder eine nicht hinreichende Bezugnahme auf die in der Wohnungseigentümerversammlung erörterten Wohngeldbeiträge kann zu einer anfechtbar Gattung führen. Es darf nicht offenbleiben, für welche Wohnungseigentumseinheiten welcher Wohngeldbeitrag konkret zu leisten ist. Dieser Grundsatz ist insbesondere zu beachten, wenn in der Wohnungseigentümerversammlung kalkulatorische Veränderungen vorgenommen werden, die die Höhe der bisher bekannt gegebenen Wohngeldbeiträge beeinflusst. Etwaig beschlossene Abweichungen sollten mithin konkret protokolliert werden.
Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht
Streitwert bei Beschlussanfechtungen
BGH, Beschluss vom 09.07.2025; V ZR 163/24
In wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren ist der Streitwert und der Beschwerdewert nach unterschiedlichen Vorschriften festzusetzen. Der Streitwert bemisst sich nach dem Interesse aller Wohnungseigentümer, der Beschwerdewert nach dem eigenen Interesse des Rechtsmittelführers.
Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung von bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums
BGH, Urteil vom 23.05.2025; V ZR 36/24
Eine Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung, wonach einzelne Wohnungseigentümer die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung von bestimmten Teilen des Gemeinschaftseigentums im räumlichen Bereich ihres Sondereigentums (hier: Fenster) zu tragen haben, umfasst im Zweifel die Kosten für die Beseitigung anfänglicher Mängel.
Sind „Wohnungseigentümer“ nur Wohnungseigentümer oder auch Teileigentümer?
AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 08.08.2025; 980a C 11/25 WEG
Ist in der Teilungserklärung nur von Wohnungseigentümern die Rede, ist daraus nicht zu folgern, dass Teileigentümer davon nicht betroffen sind, wie ein Vergleich mit § 16 WEG zeigt, in dem ebenfalls nur von Wohnungseigentümern die Rede ist, aber auch die Teileigentümer gemeint sind. Der Begriff „Wohnungseigentümer“ ist daher entsprechend den gesetzlichen Regelungen in einem umfassenden Sinne als Synonym für „Sondereigentümer“ zu verstehen.