Zahlung eines Vorschussanspruchs zur Mängelbeseitigung an die Wohnungseigentümergemeinschaft
Der Erwerber einer neu hergestellten Wohnungseigentumseinheit ist berechtigt, den veräußernden Bauträger auf Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung in Anspruch zu nehmen mit der Maßgabe, dass die Zahlung des Kostenvorschusses an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgt.
OLG Brandenburg, Urteil vom 10.04.2025; 10 U 54/24
Sachverhalt
Der Erwerber einer neu hergestellten Wohnungseigentumseinheit nimmt den veräußernden Bauträger auf Gewährleistung wegen diverser Mängelpositionen im gemeinschaftlichen Eigentum in Anspruch. Nachdem die Wohnungseigentümer sich in einer Wohnungseigentümerversammlung nicht entschließen konnten, die Durchsetzung der Mängelrechte durch Beschluss an die Gemeinschaft zu ziehen, hat der Erwerber den Bauträger unmittelbar auf Zahlung des zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kostenvorschusses in Anspruch genommen. Der veräußernde Bauträger nahm wiederum den Erwerber der Wohnungseigentumseinheit widerklagend auf Zahlung des Restkaufpreises in Anspruch.
Entscheidung
Der 10. Zivilsenat des OLG Brandenburg bestätigt, dass der einzelne Erwerber einer Wohnungseigentumseinheit grundsätzlich berechtigt ist, den veräußernden Bauträger auch auf Zahlung eines Kostenvorschusses wegen bestehender Mängel in Anspruch zu nehmen. Soweit der Kläger im Verlauf des Rechtsstreites eine Zahlung zunächst nicht ausdrücklich an die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt hatte, nimmt der Berufungssenat eine Auslegung des Klagantrages vor und führt an, dass bei der Auslegung eines Klagantrages nicht an dessen buchstäblichen Sinn zu haften sei, sondern der wirkliche Wille der Prozesspartei erforscht werden muss. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der Interessenlage der erklärenden Partei entspricht. Da die Beseitigung der gemeinschaftsbezogenen Mängelpositionen über die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgen muss, ist das Klagebegehren des erwerbenden Wohnungseigentümers dahingehend auszulegen, dass die Zahlung des Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigungsarbeiten zu Händen der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgen soll. In dem Berufungsverfahren hatte der Kläger auf einen gerichtlichen Hinweis klargestellt, dass sein Klagantrag in diesem Sinne zu verstehen sei. Aufgrund der Mängel am Gemeinschaftseigentum besteht der Anspruch auf Zahlung des zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kostenvorschusses auch materiell-rechtlich, nachdem der Bauträger mit der Mängelbeseitigung in Verzug geriet, §§ 650u, 637 III BGB. Der kaufvertragliche Gewährleistungsanspruch steht dem jeweiligen Erwerber zu, die auf Beseitigung der Mängel gerichteten Rechte der Erwerber unterfallen nicht einer ausschließlichen Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft aus § 9a II Wohnungseigentumsgesetz, sodass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht vorrangig Inhaberin der Mängelrechte wurde. Die Wohnungseigentümer haben lediglich die Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss die Mängelrechte zur alleinigen Durchsetzung auf die Wohnungseigentümergemeinschaft zu übertragen. Da eine solche Beschlussfassung hier nicht erfolgte, konnte der einzelne Erwerber den Kostenvorschuss mit Erfolg gegenüber dem Bauträger durchsetzen.
Dem Kostenvorschussanspruch kann der Bauträger nicht entgegenhalten, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten nicht bereit sei. Der 10. Zivilsenat des OLG Brandenburg verweist darauf, dass über den Kostenvorschussanspruch abzurechnen ist. Sollte eine Mängelbeseitigung tatsächlich unterbleiben, steht dem Bauträger ein Rückforderungsanspruch zu, falls die Mängelbeseitigung nicht innerhalb angemessener Frist durchgeführt wird.
Hinsichtlich der Höhe des Kostenvorschussanspruchs lässt der Berufungssenat eine Schätzung ausreichen. Es genügt, dass der Kläger tragfähige Anknüpfungspunkte für eine Kalkulation der Mängelbeseitigungskosten darlegt. Ein Privatgutachten ist dabei regelmäßig als hinreichend substantiierter Parteivortrag einzuordnen und ist als Grundlage der richterlichen Schätzung des Kostenvorschusses ausreichend.
Abschließend stellt der Berufungssenat klar, dass der Kostenvorschuss einschließlich der Umsatzsteuer zu gewähren ist. Der Vorschussanspruch umfasst auch die erst zukünftig anfallende Umsatzsteuer.
Der von dem Bauträger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Restkaufpreises war diesem nicht vorbehaltlos zuzuerkennen. Aufgrund der Mängelsituation bestand ein Zurückbehaltungsrecht des Erwerbers der Wohnungseigentumseinheit, sodass eine Zahlung des Restkaufpreises nur Zug um Zug gegen vollständige Mängelbeseitigung in Betracht kommt.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Brandenburg zeigt auf, dass auch bei einem Untätigbleiben der Gemeinschaft der Kostenvorschussanspruch zur Mängelbeseitigung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer durchgesetzt werden kann und der Wohnungseigentümergemeinschaft die wirtschaftlichen Mittel zur Mängelbeseitigung verschafft werden können. Im Außenverhältnis zu dem Bauträger können die Gewährleistungsrechte mithin bei einer untätigen Gemeinschaft uneingeschränkt individuell verfolgt werden. Im Innenverhältnis der Wohnungseigentümergemeinschaft besteht für den einzelnen Wohnungseigentümer ein Anspruch auf ordnungsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums, sodass spätestens mit der Bereitstellung der wirtschaftlichen Mittel zur Mängelbeseitigung ein Tätigwerden innerhalb der Gemeinschaft erzwungen werden kann. Eine etwaig unentschlossene Gemeinschaft von Wohnungseigentümern bewirkt mithin keinen Stillstand bei der Mängelverfolgung.