Offenbarungspflicht bei Kenntnis über die Ausübung eines Vorkaufsrechts
Ein Grundstückseigentümer ist verpflichtet, im Rahmen von Verhandlungen über den Verkauf eines Grundstücks den Kaufinteressenten darüber aufzuklären, dass er Kenntnis hat, dass der Inhaber eines Vorkaufsrechts mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Recht ausüben wird.
Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29.05.2024; 13 U 64/23
Sachverhalt
Die Kläger beabsichtigten, über die Einschaltung eines Maklers ein Einfamilienhaus zu erwerben. Die Stadt Hamburg hatte ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Sie hatte dem für die Verkäuferin handelndem Makler mitgeteilt, dass sie ein Verkehrswertgutachten in Auftrag gegeben habe und dass sie vor dem Hintergrund der maßgeblichen Festsetzungen im Bebauungsplan in Betracht ziehe, ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Die Käufer, die hiervon nicht unterrichtet wurden, schlossen den Kaufvertrag ab und machen nach Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt gegenüber der Verkäuferin und dem Makler Schadensersatz geltend. Die Kläger führen aus, dass sie, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, dass die Stadt als Vorkaufsberechtigte bereits ein Wertgutachten in Auftrag gegeben und Interesse am Ankauf des Grundstücks geäußert habe, sie, die Kläger, das Grundstück nicht gekauft hätten oder die Finanzierung des Grundstücks unter den Vorhalt der Nichtziehung des Vorkaufsrechts gestellt hätten. Dann wären, so die Kläger, die später aufgelaufenen Kosten für die Auflösung der Finanzierung nicht angefallen.
Entscheidung
Das OLG Hamburg gibt in zweiter Instanz dem Schadensersatzanspruch der Kläger weitgehend statt. Die beklagten Verkäufer sowie der Makler waren verpflichtet, die kaufenden Kläger über solche Umstände aufzuklären, die ihnen bekannt waren bzw. die sie für möglich halten mussten und die für einen verständigen Käufer von wesentlicher Bedeutung sind. Die Beweisaufnahme hatte vorliegend ergeben, dass dem Makler, der die Kaufvertragsverhandlungen für den Verkäufer führte, bekannt war, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit drohte. Der Makler als professioneller Immobilienmakler musste damit erkennen, dass es sich um einen wesentlichen Umstand für den Verkäufer handelte und für den Käufer die Notwendigkeit bestand, in den Finanzierungsverträgen Vorsorge für den Fall zu treffen, dass die Stadt das Vorkaufsrecht ziehen würde. Dem stünde auch nicht entgegen, dass der Notar im notariellen Kaufvertrag auf das gesetzliche Vorkaufsrecht hingewiesen habe. Der Hinweis auf das geäußerte Interesse der Stadt wurde nicht dadurch entbehrlich, dass der Notar auf das gesetzliche Vorkaufsrecht hingewiesen hatte. Der Hinweis auf die grundsätzlich immer gegebene Möglichkeit der Geltendmachung eines Vorkaufsrechts nach BauGB, aus der der Käufer allenfalls ein Recht abstrakter Gefahr für die Durchführung des Vertrages ableiten kann, stellt sich völlig anders dar, als der vorliegend geschuldete Hinweis auf eine schon erfolgte Kontaktaufnahme durch den Vorkaufsberechtigten, der sogar schon ein Wertgutachten beauftragt und den Makler um Abwarten mit dem Verkauf an Dritte gebeten hatte. Die Verkäufer und der Makler haften, wie das OLG in den Entscheidungsgründen ausführt, für den den klagenden Käufern entstandenen Schaden als Gesamtschuldner.
Fazit
Dass das konkrete Interesse eines Vorkaufsberechtigten am Erwerb des Grundstücks einen geplanten Verkauf – zusätzlich – erschweren kann, berührt nicht die Offenbarungsverpflichtung des Verkäufers, soweit er von dem Ankaufsinteresse des Vorkaufsberechtigten Kenntnis hat. Werden die Verkaufsverhandlungen von dem vom Verkäufer beauftragten Makler geführt, der von der drohenden Ausübung des Vorkaufsrechts Kenntnis hat, haftet der Verkäufer – neben dem Makler – als Auftraggeber für dessen Verschulden. Bei Kenntnis von Ankaufsinteresse des Vorkaufsberechtigten wandelt sich die abstrakte Gefahr eines bestehenden gesetzlichen Vorkaufsrechts in eine konkrete Gefahr. Hiervon muss der Erstkäufer unterrichtet werden.