Dingliches Vorkaufsrecht für Familienangehörige
Das dingliche Vorkaufsrecht genießt jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters, wenn es von dem Eigentümer zugunsten eines Familienangehörigen im Sinne von § 577 Abs. 1 S. 2 BGB bestellt wurde.
BGH, Urteil vom 27.09.2024; V ZR 48/23
Sachverhalt
Eheleute, die in Scheidung lebten, vereinbarten im Jahr 2016, das gemeinsame Haus in Wohnungseigentum aufzuteilen. Dabei wurden drei Wohnungen gebildet, von denen der beklagte Ehemann zwei Wohnungen (Nr. 2 und Nr. 3) und die klagende Ehefrau eine Wohnung erhielt. Die Parteien bewilligten sich gegenseitig dingliche Vorkaufsrechte. Für die Klägerin wurde für die Wohnung Nr. 3 im Dezember 2016 ein Vorkaufsrecht eingetragen. Im Jahr 2019 verkaufte der Beklagte seine beiden Wohnungen an Dritte. Die Klägerin erklärte mit Schreiben an den Notar die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Wohnung Nr. 3, die bereits vor Aufteilung im Wohnungseigentum an einen Dritten vermietet war. Dieser Mieter übte das Mieter-Vorkaufsrecht gegenüber dem Beklagten aus. Mieter und Beklagter schlossen einen notariellen Vertrag, in dem die Einzelheiten zu dem durch den Vorkauf zustande gekommenen Kauf geregelt wurden. Der Mieter wurde als Eigentümer in das Wohnungsgrundbuch eingetragen, das Vorkaufsrecht der Klägerin wurde gelöscht.
Die Klägerin verlangt u. a. von dem Beklagten die Auflassung des Eigentums an der Wohnung Zug-um-Zug gegen Zahlung von 27.000,00 € und Bewilligung der Eintragung in das Grundbuch. Nach der Entscheidung des OLG Dresden als Berufungsgericht soll der Klägerin kein Anspruch auf Auflassung der Wohnung zustehen. Das Vorkaufsrecht des Mieters gehe dem gewillkürten dinglichen Vorkaufsrecht jedenfalls dann vor, wenn Letzteres – wie vorliegend – bei Überlassung der Wohnung noch nicht bestanden habe.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des BGH ist diese Auffassung rechtsfehlerhaft. Unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 27.04.2023 führt der BGH aus, dass das dingliche Vorkaufsrecht jedenfalls dann Vorrang vor dem Vorkaufsrecht des Mieters habe, wenn es vom Eigentümer eines Familienangehörigen bestellt wurde. Eheleute sind als Familienangehörige anzusehen, auch wenn sie geschieden sind.
Der Vorrang des dinglichen Vorkaufsrechts des Familienangehörigen gilt, wie der BGH weiter ausführt, auch dann, wenn dieses erst nach Überlassung der Wohnung an den Mieter bestellt wurde. Wenn der Vermieter das Wohnungseigentum auch nach Überlassung der Wohnung an den Mieter direkt an den Familienangehörigen verkaufen kann, ohne dass der Mieter zum Vorkauf berechtigt wäre, sei nicht ersichtlich, warum das Mieter-Vorkaufsrecht Vorrang gegenüber einem nach Überlassung der Wohnung an den Mieter für einen Familienangehörigen bestellten dinglichen Vorkaufsrecht haben sollte.
Fazit
Abschließend entscheiden konnte der BGH die Sache noch nicht, weil weitere Feststellungen zu treffen waren und daher die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde.