Verwalter-Telegramm

Neue Gesetzesänderung zur vollständigen Online-Eigentümerversammlung

Der Bundestag hat am 18.01.2024 in erster Lesung über den Gesetzentwurf beraten. Der vollständige Name lautet „Entwurf eines Gesetzes zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare–Energien-Anlagen“. Am 03.07.2024 hat der Rechtsausschuss den Entwurf mit Änderungen angenommen. Einen Tag später hat der Bundestag das Gesetz endgültig beschlossen. Das Gesetz muss noch den Bundesrat passieren (nächste Sitzung am 27.09.2024) und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es tritt dann am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Wir hatten in einem vorangegangenen Newsletter anlässlich der WEG-Reform zum 01.12.2020 über die damals neue Regelung nach § 23 Abs. 1 S. 2 WEG berichtet, wonach den Wohnungseigentümern, die Online-Teilnahme an Präsenzveranstaltungen (sogenannte „hybride Eigentümerversammlungen“) ermöglicht wurde. Mit der jetzigen Gesetzesänderung erhalten die Wohnungseigentümer die Wahl ihre Eigentümerversammlungen durch Mehrheitsbeschluss in Präsenz, hybrider Form oder rein virtuell zu ermöglichen.

Dabei unterliegt die Gestattung einer rein virtuellen Eigentümerversammlung einer qualifizierten Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen. Die Gestattung ist auf einen Zeitraum von drei Jahren ab Beschlussfassung begrenzt. Für Beschlüsse, die noch vor dem 01.01.2028 gefasst werden, besteht noch für eine Übergangszeit bis einschließlich 2028 eine gesetzliche Verpflichtung parallel mindestens einmal im Jahr eine Präsenzveranstaltung durchzuführen. Darauf können die Wohnungseigentümer durch einen einstimmigen Beschluss allerdings verzichten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt nicht zur Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlüsse (§ 48 Abs. 6 WEG n.F.).

Die Befristung auf drei Jahre verfolgt den Zweck, dass Erwerberinnen und Erwerber von Wohnungen nicht für unbestimmte Zeit an eine vor ihrem Erwerb erfolgte Beschlussfassung gebunden sein sollen. Die Befristung trägt außerdem der Tatsache Rechnung, dass sich die Haltung der Wohnungseigentümer zu virtuellen Versammlungen ändern könnte. Die bisherigen Herausforderungen für den WEG-Verwalter und die möglichen Angriffe der gefassten Beschlüsse wegen Verstößen gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit bleiben weiterhin bestehen. Das Gesetz regelt dazu keine besonderen Vorgaben. Ist eine Online-Versammlung beschlossen, muss die Gemeinschaft die technischen Voraussetzungen dafür schaffen und den Wohnungseigentümern nach Maßgabe der Beschlüsse die vorgesehene elektronische Kommunikation und die Wahrung der festgelegten Versammlungsrechte ermöglichen. Der WEG-Verwalter hat als Versammlungsleiter die technische Absicherung zu überwachen. Die Kosten der elektronischen Ausstattung sind laufende Kosten der Verwaltung. Im Hinblick auf die technische Ausstattung auf Eigentümerseite sollte klargestellt werden, dass hier jeder Eigentümer auf eigene Kosten tätig werden muss. Sowohl die Präsenz- als auch die Online-Eigentümerversammlungen sind grundsätzlich nicht öffentlich. Dies ergibt sich aus dem Schutz der Wohnungseigentümer vor Einflüssen Dritter im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe zur Durchführung einer ordnungsmäßigen Verwaltung nach § 18 Abs. 2, 3 WEG. Der WEG-Verwalter als Versammlungsleiter ist nur dazu angehalten die Plausibilität etwaiger elektronsicher Zugangsvoraussetzungen zu prüfen. Ohne begründete Zweifel ist er nicht verpflichtet, die Einhaltung der technischen oder rechtlichen Voraussetzungen in der Sphäre des Wohnungseigentümers zu prüfen. Eine konkretere Prüfung ist nur bei einem Anlass erforderlich. Ausreichend Anlass gibt es sicherlich, wenn sich bereits aus der Bildschirmsicht ergibt, dass sich der Wohnungseigentümer an einem öffentlichen Ort oder zusammen mit mehreren unbefugten Dritten vor dem Bildschirm aufhält. Größere Schwierigkeiten werden sich bei der Anwesenheit von unbefugten Dritten ergeben, deren Anwesenheit sich im Verborgenen abspielt. Es kann kaum ausgeschlossen werden, dass eine auf dem Bildschirm nicht sichtbare Person den Verlauf der Versammlung trotzdem mitverfolgt. Etwaige gefasste Beschlüsse wären dann wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit anfechtbar.

Aktuelle Entscheidungen im Wohnungseigentumsrecht

Virtuelle WEG-Versammlung: Beschluss über Kommunikationsmittel notwendig?
Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 02.05.2024; 22 C 50/23 WEG

Beschließen die Wohnungseigentümer eine Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung im Wege elektronischer Kommunikation (§ 23 Abs. 1 S. 2 WEG), ist es grundsätzlich ausreichend, wenn eine Regelung über den Umfang der Gestattung und die davon erfassten Eigentümerrechte getroffen wird; eine ordnungsmäßige Verwaltung erfordert dagegen regelmäßig keine Beschlussfassung über das zu nutzende elektronische Kommunikationssystem oder die Anforderungen an Hard- und Software.

Beteiligung an den Prozesskosten
BGH, Urteil vom 19.07.2024; V ZR 139/23

Seit dem 01.12.2020 gehören Kosten, die der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, zu den Kosten der Verwaltung gem. § 16 Abs. 2 S. 1 WEG, die, soweit keine abweichende Regelung getroffen worden ist, nach dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umzulegen sind; demzufolge muss bei Fehlen einer abweichenden Regelung auch der obsiegende Beschlusskläger die Prozesskosten der unterliegenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer anteilig mitfinanzieren.

Finanzielle Mehrbelastung einzelner Eigentümer spricht nicht gegen Änderung des Verteilerschlüssels
Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 11.07.2024; 2-13 S 19/24

Die Änderung des Verteilerschlüssels gem. § 16 Abs. 2 S. 2 WEG ist nicht bereits deshalb nicht ordnungsgemäß, weil sie zu finanziellen Mehrbelastungen einzelner Wohnungseigentümer im Vergleich zu anderen führt, sondern erst wenn eine treuwidrige Ungleichbehandlung eines einzelnen Eigentümers oder einer Eigentümergruppe gegeben ist, die insoweit zu einem unbilligen Sonderopfer führt.

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