Mietminderung bei Wohnflächenunterschreitung: Vereinbarung einer Wohnfläche durch konkrete Absprache im Vorfeld des Vertragsschlusses möglich
(BGH vom 23.06.2010, VIII ZR 256/09)
Kann ein Mangel an der Mietwohnung aufgrund einer Flächenabweichung auch dann
vorliegen, wenn der schriftliche Mietvertrag keine Angabe zu der Wohnfläche enthält? Diese
Frage hat jetzt der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23.06.2010 – Az. VIII ZR 256/09) bejaht
und zwar angesichts der Geschehnisse und mündlichen Erörterungen im Vorfeld des
Abschlusses des Mietvertrages.
Was war geschehen
Vermietet war eine Dachgeschosswohnung. Der schriftliche Mietvertrag enthielt keine
Angaben zur Größe der Wohnung, sie waren auch in einem verwendeten Vordruck
nicht vorgesehen. Allerdings enthielt die Annonce einer Immobilienmaklerin neben
anderen detaillierten Angaben zur Wohnung auch den Hinweis „ca. 76 m²“.
Bevor es zum Abschluss des Mietvertrages kam, wurde der Mieterin noch eine
Grundriss-Skizze sowie eine detaillierte Wohnflächenberechnung übergeben, in der die
Gesamtgröße der Wohnung mit 76,45 m² ausgewiesen ist. Später konnte die Mieterin
allerdings nur eine Wohnfläche von einer Größe von 53,25 m² feststellen und verlangte eine
entsprechende Rückzahlung der überzahlten Miete. Erstinstanzlich wurde der Zahlungsklage
teilweise stattgegeben, das Landgericht Mannheim hob auf Berufung des Beklagten das Urteil
auf und wies die Klage ab.
Die Entscheidung
Hintergrund: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, mit der die
Revision der Mieterin zugelassen wurde, ist u.a. deshalb von Bedeutung, weil Angaben zur
Wohnungsgröße im Vertragstext fehlten, sie waren im Vertragsexemplar auch nicht
vorgesehen. Die Geschehnisse allerdings bis zur Unterzeichnung des Mietvertrages machen
jedoch deutlich, dass sich die Parteien bei Abschluss des Vertrages bezüglich der Wohnfläche
vertraglich binden wollten. Die Gesamtumstände des Falles lassen nach Auffassung des BGH
darauf schließen, dass die Parteien den schriftlichen Vertrag in der beiderseitigen, dem
jeweiligen Vertragspartner erkennbaren Vorstellung geschlossen hatten, die Wohnung weise
die in der Annonce angegebene Wohnungsgröße und die der detaillierten
Wohnflächenberechnung zuvor angegebene Wohnfläche auf. Damit sei eine konkludente
Vereinbarung über die Wohnungsgröße getroffen worden mit der Konsequenz, dass zu viel
gezahlte Miete deswegen zurückgefordert werden könne, weil die Wohnflächenunterschreitung
mehr als 10 % betrage. Dieser Tatbestand führe zu einer Mietminderung, wie bereits vom
Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10.03.2010, Az. VIII ZR 144/09, entschieden worden
ist.
Kommentar
Die BGH-Entscheidung ist rechtlich nicht angreifbar, der Tatbestand wurde von
den Bundesrichtern zutreffend gewürdigt. Wozu die Angaben im Exposé des Maklers, und die
Aushändigung einer Grundriss-Skizze mit detaillierter Wohnflächenberechnung, wenn sie im
schriftlichen Mietvertrag keine Rolle spielen sollten?
Praxishinweis
Grundsätzlich ist Vorsicht geboten bei der vorschnellen Annahme einer
konkludenten Vereinbarung. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall ist nach dem
festgestellten Sachverhalt als Einzelfall zu werten, der jeweils eine neue rechtliche Beurteilung
erfordert.
Nach wie vor ist deshalb auf Vermieterseite große Vorsicht bei Angaben zur Wohnfläche im
Mietvertrag geboten! Nur dann, wenn der Vermieter ein konkretes Vermessungsergebnis der
Wohnung vorliegen hat, kann in der Regel risikolos eine Wohnflächenangabe in Verbindung
mit der zugrunde gelegten Berechnungsmethode (in HH idR: WoFlV, II. BV oder DIN 283)
vereinbart werden. Anderenfalls bleibt es bei der Empfehlung, Angaben zur Wohnfläche nicht
zu vereinbaren oder aber jedenfalls einen – möglichst individualvertraglichen –
Haftungsausschluss im Mietvertrag aufzunehmen.