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Anforderungen an eine Verwertungskündigung

BGH, Urteil vom 08.06.2011, VIII ZR 226/09

Sachverhalt

Die Kläger – eine ungeteilte Erbengemeinschaft – sind Eigentümer eines Einfamilienhauses,
das in der ehemaligen DDR belegen ist und das 1953 unter staatliche Verwaltung gestellt
wurde. Nach Beendigung der staatlichen Verwaltung sind die Kläger in das Mietverhältnis
1992 eingetreten und kündigten im Juli 2007 das Mietverhältnis mit der Beklagten.
Begründung: Das Mietobjekt solle zum Zwecke der Auseinandersetzung der
Erbengemeinschaft verkauft werden. Diese Erbauseinandersetzung lasse sich nur auf
absehbare Zeit in unvermietetem Zustand ermöglichen. Das Amtsgericht Potsdam weist die
Räumungsklage ab, das Landgericht Potsdam bestätigt das amtsgerichtliche Urteil. Die
Revision gegen das landgerichtliche Urteil hat beim Bundesgerichtshof Erfolg.

Entscheidungsgründe

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bekräftigt zunächst noch einmal seine bisherige
Rechtsprechung, dass bei der Beurteilung, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand eines
Mietvertrages erhebliche Nachteile entstehen und er deshalb zur Kündigung des
Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB berechtigt ist, auch das grundsätzliche
Interesse des Mieters, in der bisherigen Wohnung als seinen Lebensmittelpunkt zu verbleiben,
zu berücksichtigen und eine Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist.
Anders jedoch als die Vorinstanzen verneint der Bundesgerichtshof nicht schon deshalb einen
erheblichen Nachteil im Sinne des Gesetzes, weil die Kläger das Grundstück als Erben bereits
im vermieteten und unrentablen Zustand erworben haben und seit dem tatsächlichen Eintritt
in das Mietverhältnis bei Beendigung der staatlichen Verwaltung keine wesentliche
Verschlechterung eingetreten ist. Eine solche rechtliche Betrachtung – so der BGH – liefe
darauf hinaus, die Eigentümer ehemals staatlich verwalteter Wohnungen an den bei
Aufhebung der Verwaltung gegebenen Zuständen auch nach deren Beendigung festzuhalten.
Ihnen würde damit zugemutet, dauerhaft Verluste ohne eine Verwertungsmöglichkeit
hinzunehmen. Das aber sei mit dem Eigentumsgrundrecht gemäß Artikel 14 Abs. 1 GG
unvereinbar.

Praxishinweis

Der Bundesgerichtshof erleichtert die bisher sehr strenge Rechtsprechung zur Berechtigung
einer Verwertungskündigung und erleichtert betroffenen Vermietern nachzuweisen, dass sie
durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen
Verwertung des Grundstücks gehindert sind und dadurch erhebliche Nachteile erleiden
würden.

Hinweis

Der Rechtsstreit ist mit der Entscheidung des BGH noch nicht beendet. Er hat die Sache an
das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses Feststellungen zu der von den Klägern
behaupteten Unrentabilität des Grundstücks geben kann, ferner zur Höhe des Mindererlöses
bei einem Verkauf im vermieteten Zustand bzw. zur Unverkäuflichkeit im vermieteten
Zustand. Soweit der beklagte Mieter Härtegründe im Prozess geltend gemacht habe, seien
auch insoweit vom Berufungsgericht noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

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