Schallschutz: Welcher Standard gilt, wenn im Vertrag „Schalldämmung nach DIN 4109“ vereinbart ist?
Der vereinbarte Schallschutzstandard bei der Errichtung von Eigentumswohnungen
ist in erster Linie durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Aus dem vertraglichen
Verweis „Schalldämmung nach DIN 4109“ folgt nicht ohne Weiteres, dass nur die
Mindestmaße dieser DIN vereinbart sind. Die DIN 4109 enthält keine anerkannten
Regeln der Technik für die Herstellung des Schallschutzes in Wohnungen, die
üblichen Qualitäts- und Komfortstandards genügen sollen (Anschluss an BGH, Urteil
vom 14. Juli 2007 – VII ZR 45/06)
(BGH, Urteil vom 04.06.2009 – VII ZR 54/07)
Sachverhalt
Ein Bauträger verkauft im Jahre 1996 eine Eigentumswohnung in einer noch fertig zu
stellenden Wohnanlage. In der Baubeschreibung, die Anlage zum Kaufvertrag ist, heißt es
u.a.:
„Alle Geschossdecken werden in Stahlbeton gemäß Statik erstellt. In den Wohngeschossen
kommt ein schwimmender Estrich auf Wärme- bzw. Trittschalldämmung gemäß DIN 4109 zur
Ausführung. Dachgeschoss wie vor.“
An anderen Stellen der Baubeschreibung wird von „gehobener Ausstattung“, „neuestem
Stand“, „repräsentativer Konstruktion“, „hochwertiger Anlage“ gesprochen. Die
Wohnungseingangstüren werden in „schalldichter behindertengerechter Ausführung“
beschrieben. Später verlangen die Käufer u.a. wegen Mängeln des Schallschutzes die Zahlung
von EUR 542.942,83 Zug um Zug gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums.Das
Landgericht Essen gibt der Zahlungsklage dem Grunde nach statt. In der Berufungsinstanz
weist das OLG Hamm die Klage ab. Es meint, die Bezugnahme auf die DIN 4109 in der
Baubeschreibung müsse ein Vertragspartner in der Regel dahin verstehen, dass die
Mindestanforderungen gemeint seien.
Rechtlicher Hintergrund
Gerichte und Rechtsanwender stehen immer wieder vor der Frage, welche Rolle technische
Normen (z.B. DIN und TA) bei der Beurteilung von Rechtsfällen spielen. DIN-Normen sind
keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die
den Stand der Technik wiedergeben sollen. Angesichts der wissenschaftlichen Fortentwicklung
kann es aber schnell passieren, dass diese Empfehlungen durch die technische Entwicklung
überholt werden. Die letzte Überarbeitung der DIN 4109 stammt aus dem Jahre 1989.
Entscheidung
Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache zurück. Zur Begründung
verweist er zunächst auf sein Urteil vom 14.06.2007 (VII ZR 45/06). In jenem Fall war eine
noch zu errichtende Doppelhaushälfte verkauft worden, ohne dass allerdings im Kaufvertrag
auf die DIN 4109 Bezug genommen worden war. Hier hatte der BGH entschieden, dass die
DIN 4109 nicht als Beurteilungsgrundlage gelten kann, wenn die Parteien einen üblichen
Qualitäts- und Komfortstandard für das zu errichtende Bauwerk vereinbart haben. Der
geschuldete Schallschutz müsse durch Auslegung des Vertrags ermittelt werden.
Diese Überlegungen überträgt der BGH jetzt auch auf den Fall, dass im Kaufvertrag
ausdrücklich Bezug auf die DIN 4109 genommen wird. Auch in diesem Fall habe eine
Gesamtabwägung stattzufinden, bei der die gesamten Umstände des Vertrages zu
berücksichtigen seien. Der Erwerber könne ungeachtet der sonstigen Vereinbarungen
grundsätzlich erwarten, dass die noch zu errichtende Eigentumswohnung nach den zur Zeit
der Abnahme geltenden Regeln der Technik hergestellt werde.
Bei der Gesamtabwägung müsse auch berücksichtigt werden, dass der Erwerber in der Regel
keine Vorstellung davon habe, was sich hinter den Schalldämmmaßen der DIN 4109 verberge.
Die DIN 4109 enthalte lediglich Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer
Belästigungen. Könne der Erwerber nach den Umständen erwarten, dass die Wohnung in
schallschutztechnischer Hinsicht den üblichen Qualitäts- und Komfortstandards entspreche,
müsse der Unternehmer deutlich darauf hinweisen, dass er beabsichtige, nur die Mindestmaße
der DIN 4109 seinem Bauwerk zugrunde zu legen. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht
erneut vorzunehmende Vertragsauslegung weist der BGH ausdrücklich auf die oben zitierten
Angaben aus der Baubeschreibung (gehobene Ausstattung etc.) hin.
Praxishinweis
Nach dem Urteil aus 2007 (Schallschutz bei Doppelhaushälften) – das das OLG Hamm zum
Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht kannte – kommt dieses Urteil nicht völlig
überraschend. Es setzt in jedem Fall aber noch einmal ein Ausrufezeichen, was die
Anforderungen an die Vertragsgestaltung und die anwaltliche Beratung in diesem
Zusammenhang angeht.