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Eigenbedarf für eine dem Vermieter nahestehende juristische Person

BGH, Urteil vom 09.5.2012, VIII ZR 238/11

Wer ist eine dem Vermieter nahestehende juristische Person? Nicht gemeint sind Anwälte,
Richter, Staatsanwälte oder auch Rechtsgelehrte, im juristischen Sinne handelt es sich
vielmehr z.B. um einen eingetragenen Verein (e.V.) oder auch eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) aber auch eine Aktiengesellschaft (AG). Mit dieser Frage hatte
sich der BGH in seiner Entscheidung vom 09.05.2012 (VIII ZR 238/11) nicht auseinander zu
setzen, sondern damit, ob die Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs nicht
nur der Verwirklichung fremder Interessen, sondern auch der Durchsetzung eigener
Vermieterinteressen dient.

Der Fall

Der Vermieter, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte Evangelische
Kirchenkreis Düsseldorf hatte eine von einem Mieter innegehaltene Mietwohnung in einem
Mehrfamilienhaus gemäß § 573 Abs. 1 BGB gekündigt, weil er die Wohnung für die
Unterbringung der von der Diakonie Düsseldorf e.V. betriebenen Beratungsstelle für
Erziehungs-, Ehe-, und Lebensfragen benötigte. Der Mieter wehrte sich gegen die Kündigung
und verwies darauf, dass der Kläger sich nicht auf den Nutzungsbedarf der Diakonie berufen
könne, da diese im Verhältnis zu ihm eine rechtlich selbstständige juristische Person sei. Im
Räumungsprozess unterlag der Mieter in drei Instanzen.

Entscheidung

Der BGH bestätigt in seinem Urteil, dass die Diakonie Düsseldorf e.V. ebenso wie der
Vermieter zum Gesamtkomplex der Evangelischen Kirche im Rheinland gehört und für
Düsseldorfer Kirchengemeinden diakonische Aufgaben, u.a. durch die Unterhaltung von
Beratungsstellen, erfüllt. Es handele sich deshalb im entschiedenen Fall um eine dem
Vermieter „nahestehende“ juristische Person, deren Tätigkeit der Erfüllung öffentlicher
Aufgaben auch des Vermieters diene. Dies begründe ein eigenes berechtigtes Interesse an der
Beendigung des Mietverhältnisses, weil eine öffentlich rechtliche Körperschaft (vor allem eine
Gemeinde) die von ihr vermietete Wohnung zur Umsetzung von Aufgaben benötige, an deren
Erfüllung ein gewichtiges öffentliches Interesse bestehe. Soweit teilweise von der
Rechtsprechung die Ansicht vertreten worden ist, Drittinteressen nur bei einer rechtlichen
Verpflichtung des Vermieters zu deren Wahrnehmung zu berücksichtigen, teilt der BGH diese
Auffassung nicht, weil sie den Anwendungsbereich des § 573 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen
verenge: Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Auflösung des Mietverhältnisses
ergebe sich nicht nur aus rechtlichen Beziehungen zu anderen Personen, sondern auch aus
familiären oder wirtschaftlichen Beziehungen.

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