Der Bundesgerichtshof und die weiße Farbe
BGH, Urteil vom 22.02.2012, VIII ZR 205/11
Erneut hat sich der Bundesgerichtshof mit der so genannten Farbwahlklausel in
Wohnungsmietverträgen auseinandergesetzt und in seinem Urteil vom 22.02.2012 folgendes
befunden: „Auch wenn der Mieter die Wohnung bei Mietbeginn mit einem neuen weißen
Anstrich übernommen hat, benachteiligt ihn eine Farbwahlklausel nur dann nicht
unangemessen, wenn sie ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht
und dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt.“ Mit diesem Leitsatz bestätigt der achte
Senat seine bisherigen Urteile vom 18.07.2008 (VIII ZR 224/07) und vom 20.10.2008 (VIII
ZR 283/07).
Sachverhalt
Im Mietvertrag der Parteien sind die Schönheitsreparaturen formularmäßig auf die Mieterin
abgewälzt worden, außerdem ist eine Quotenabgeltungsklausel vereinbart. Zu den
Schönheitsreparaturen heißt es in § 13 Ziffer 3 des Mietvertrags: „Die Arbeiten müssen in
fachmännischer Qualitätsarbeit – handwerksrecht – ausgeführt werden. Der Mieter darf ohne
Zustimmung des Vermieters bei der Ausführung der Schönheitsreparaturen bei Vertragsende
nicht von der ursprünglichen Ausführungsart abweichen. Das Holzwerk darf nur weiß
gestrichen werden, Naturholz nur transparent oder lasiert. Heizkörper und Heizrohre sind weiß
zu streichen. Der Anstrich an Decken und Wänden hat in weiß, waschfest nach TAKT, zu
erfolgen. Die Verwendung anderer Farben bedarf der Genehmigung des Vermieters, ebenso
die Anbringung besonderer Wanddekorationen und schwerer Tapeten.“ Im Prozess streiten
sich die Parteien um Kosten für die Ausführung von Schönheitsreparaturen. Die Mieterin
vertritt die Ansicht, dass die Schönheitsreparaturklausel wegen unangemessener
Benachteiligung unwirksam sei und ihr deshalb die volle Kaution zustehe. Das Amtsgericht
gibt der Klage im Wesentlichen statt. Im Berufungsverfahren wird das Urteil abgeändert mit
der Begründung, dass der Mieterin auch ein Anspruch auf Wertersatz hinsichtlich der von ihr
durchgeführten Schönheitsreparaturen nicht zustehe, weil die Abwälzungsklausel im
Mietvertrag wirksam sei. Die Vorgabe, dass die Wohnung bei Rückgabe weiß gestrichen sein
müsse, benachteilige die Mieterin nicht unangemessen, weil sie die Wohnung in diesem
Zustand übernommen habe. Wenn ein Vermieter eine Wohnung in weißem und Neuanstrich
übergibt, gäbe er damit zu erkennen, welchen Wohnungszustand er bei der Neuvermietung
für angemessen hält und welchen Zustand er bei der Rückgabe vorzufinden wünscht.
Dieser Rechtsauffassung vermochte der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren nicht
zuzustimmen, die Schönheitsreparaturklausel sei im Hinblick auf die vom Vermieter
verwendete (unzulässige) Farbwahlklausel nicht wirksam. Nur dann, wenn die Farbwahlklausel
ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beanspruche und dem Mieter noch
einen gewissen Spielraum lasse, könne von einer unangemessenen Benachteiligung des
Mieters nicht gesprochen werden. Diesen Voraussetzungen werde die vereinbarte
Farbwahlklausel jedoch nicht gerecht. Sie gäbe nämlich dem Mieter auch für
Schönheitsreparaturen während der Mietzeit einen weißen Anstrich von Decken und Wänden
vor und schränke die Gestaltungsfreiheit des Mieters dadurch in einer Weise ein, die nicht
durch die Interessen des Vermieters gerechtfertigt sei. Es könne auch dahinstehen, ob die
hier entstandene Mietvertragsklausel, die für die bei Vertragsende auszuführenden Arbeiten
die ursprüngliche Ausführungsart vorgibt, so ausgelegt werden könne, dass sie auch die in
dieser Klausel enthaltene Verpflichtung, den Anstrich von Decken und Wänden weiß
auszuführen, nur für bei Vertragsende durchzuführende Dekorationsarbeiten gelten solle.
Damit spielt das Gericht auf die in § 13 Ziff. 3 des Mietvertrags getroffene Vereinbarung an,
das „bei Vertragsende“ nicht von der ursprünglichen Ausführungsart abgewichen werden darf.
Eine Auslegung dieser Klausel, dass die Farbvorgabe „weiß“ – ebenso wie die im Übrigen auch
geregelte Vorgabe einer handwerksgerechten Qualität der auszuführenden Arbeiten – auch für
die während der Mietzeit erforderlichen Schönheitsreparaturen gelten soll, sei zumindest
möglich und deshalb nach dem Grundsatz der „kundenfeindlichsten“ Auslegung zugrunde zu
legen.
Fazit
Rechtsfolge ist wie stets in diesen Fällen die Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur
Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin. Vermieter, die sich dazu entschließen, in
ihren Mietvertrag eine Farbwahlklausel aufzunehmen – wovon grundsätzlich abzuraten ist –
haben nur dann eine Chance, die Farbwahl selbst zu bestimmen, wenn die von ihnen
formulierte Klausel ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht und
dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt. Was unter diesem „gewissen Spielraum“
letztlich zu verstehen ist bzw. welcher Spielraum bei den Gerichten noch Anerkennung findet
lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Deshalb: Hände weg von der Farbwahlklausel.