Auf Wahrsagerinnen ist kein Verlass Muss künftig ein Grundstücksmakler seine Kaufinteressenten danach befragen, wie sie den vorgesehenen Kaufpreis belegen wollen und können? Sozusagen „von Amts wegen“?
OLG Stuttgart, 07.12.2011, Az. 3 U 135/11
Grundsätzlich ist diese Frage von der Rechtsprechung beantwortet: Nicht ohne Auftrag des
Verkäufers oder nur dann, wenn es beim Makler Anhaltspunkte dafür gibt, dass der
Interessent gar nicht in der Lage ist, den Kaufpreis letztlich aufzubringen. Aber sagen diese
Kunden immer die Wahrheit? Letztlich nützt auch eine Befragung nach dem finanziellen
Leistungsvermögen nichts, wenn sich nach Abschluss eines notariellen Kaufvertrages
herausstellt, dass der Interessent dem Verkäufer nicht – oder nicht ganz – die Wahrheit
gesagt hat und seine diesbezüglichen Zusicherungen falsch waren und zum Rücktritt oder zur
Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung führen.
Dies erlebte jetzt ein Makler aus Ulm, der vom Oberlandesgericht Stuttgart (Az. 3 U 135/11)
zur Rückzahlung der an sich verdienten Provision von ca. 45.000,00 € verurteilt wurde. Er
und auch der Verkäufer hatten der finanziellen Leistungsfähigkeit des Maklerkunden vertraut,
der sich für ca. € 1,9 Mio. ein großes Einfamilienhaus mit Grundstück zugelegt hatte.
Großzügig hatte der Käufer im Kaufvertrag darauf verzichtet, einer Grundschuldbestellung am
Vertragsobjekt zur Sicherung eines zur Kaufpreisfinanzierung erforderlichen Darlehens
vorzusehen. Eigengeld musste demnach eigentlich vorhanden sein. Denkste! Im Prozess
stellte sich heraus: „Normale“ finanzielle Verhältnisse in einer 3-Zimmer-Wohnung, kein
nennenswertes Vermögen, noch Einkünfte, die die Finanzierung des Kaufpreises auch nur
annähernd ermöglicht hätten, aber die Behauptung, eine Finanzierung nicht zu benötigen, da
die „entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen“. Diese bestanden allerdings nur
in der einzigen Chance, in einem von einer Wahrsagerin vorausgesagten Lottogewinns in
Millionenhöhe. Wider Erwarten floss dieses Geld aber nicht. „Ein Ausfallrisiko von 100 %“
befand das OLG Stuttgart. Der Käufer sei deshalb verpflichtet gewesen, den Verkäufer
darüber aufzuklären: Wer eine künftige Verbindlichkeit – hier eine Kaufpreiszahlung von fast
€ 2 Mio. – eingeht, müsse bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten, insbesondere eine
drohende Zahlungsunfähigkeit, offenbaren.
Der erhoffte und von einer Wahrsagerin versprochene Lottogewinn setzte immerhin voraus
sechs Richtige mit Superzahl, was, so die Stuttgarter Richter, „äußerst unwahrscheinlich“ sei.
Vielmehr betrage die Gewinnerwartung lediglich „0,000000715 %, bei einer mittleren
Gewinnerwartung von ca. € 5,24 Mio.“, errechnete das Oberlandesgericht.
War mithin der Verkäufer zur Anfechtung des Kaufvertrages berechtigt, war damit auch die
Provision futsch, der Makler verlor seinen Prozess gegen den Verkäufer, der die Provision
versprochen hatte.
Von einem Schadensersatzprozess gegen die Wahrsagerin wurde von Fachjuristen abgeraten.
Der Ratschlag von Jerry Lewis, dass es heute leicht ist, Millionär zu werden, wenn man
Millionär ist, wurde vom Käufer wohl nicht ernst genommen.