Zur Haftung eines Verkehrswertgutachters
Bei der Haftung des Sachverständigen für ein unrichtiges Verkehrswertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren ist zu berücksichtigen, dass dieses der Feststellung des Verkehrswertes des Versteigerungsobjektes dient und gerade auch in dieser Hinsicht, auch bezüglich des festgestellten Verkehrswerts, „unrichtig“ sein muss.
BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013; III ZR 345/12
Sachverhalt
Der Kläger verlangt vom Beklagten, einem Sachverständigen für Grundstücksbewertung, Schadensersatz mit dem Vorwurf der Erstellung eines fehlerhaften Gutachtens. Der beklagte Gutachter hatte sich in seinem Verkehrswertgutachten auf das Gutachten eines Kollegen bezogen, das dieser in einem vom Kläger beantragten selbstständigen Beweisverfahren vor dem Amtsgericht erstattet hatte. Es sollte Feststellungen treffen über das Ausmaß der Feuchtigkeitsschäden und das Vorhandensein von Fäulnisschäden. Der Kläger behauptet, das Einfamilienhaus sei abbruchreif und wertlos, den ihm entstandenen Schaden schätzt er auf rund 192.000 €
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Klägers das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten letztlich zu rund 50.000 € Schadensersatz verurteilt.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat aufgrund der zugelassenen Revision das angefochtene Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück verwiesen. Fehlerhaft habe das Berufungsgericht nicht beachtet, dass ein Verkehrswertgutachten der Feststellung des Verkehrswertes des Versteigerungsobjekts dient und gerade auch in dieser Hinsicht, also bezüglich des festgestellten Verkehrswerts, „unrichtig“ sein muss. Denn mit der Wertermittlung und -festsetzung soll vornehmlich der „Verschleuderung“ des Grundbesitzes entgegengewirkt werden. Baumängel und Bauschäden können sich lediglich auf den Verkehrswert auswirken. Der BGH: „Anders als der speziell mit der Feststellung von Baumängeln beauftragte – und diesbezüglich besonders sachkundige – Gutachter darf sich der Verkehrswertgutachter im Allgemeinen mit der Inaugenscheinnahme des Versteigerungsobjekts begnügen und muss erst dann weitere Ermittlungen zu etwaige Mängeln anstellen oder entsprechende Hinweise geben,“ wenn hierzu nach den Umständen des konkreten Falls Anlass besteht. Zu beachten sei ferner, dass der Verkehrswert eines bebauten Grundstücks regelmäßig nur annäherungsweise und nicht exakt im Sinne einer mathematischen Genauigkeit ermittelt werden kann. Die Wahl der Wertermittlungsmethode aber auch die Ermittlung selbst unterliegen notwendig wertenden Einschätzungen, die nicht geeignet sind, die Gewissheit zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau den ermittelten Wert erzielen. Das Berufungsgericht habe sich nur mit der Frage der vorhandenen oder zu vermutenden Baumängel befasst und damit den maßgeblichen Punkt der Unrichtigkeit des Verkehrswerts und seiner Ermittlung durch den Beklagten aus dem Blick verloren.
Kleinere Diskrepanzen bei der Ermittlung des Verkehrswerts seien unvermeidbar und dürfen nicht ohne weiteres zulasten des Sachverständigen gehen.
Und auch das hat der Bundesgerichtshof den Bauschadenssachverständigen und den Verkehrswertgutachtern mit auf den Weg gegeben: „Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Gutachter unbeachtet gelassen hat, was jedem Sachkundigen einleuchten muss und dass seine Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar ist“. Maßgebend ist hierbei nicht der Sorgfaltsmaßstab eines Bauschadenssachverständigen, sondern der Sorgfaltsmaßstab eines Verkehrswertgutachters.
Fazit
Das Urteil des BGH überzeugt, es gibt insbesondere den Sachverständigen ausführliche Hinweise, wie sie sich in etwa vergleichbaren Situationen zu verhalten haben und welche rechtlichen Maßstäbe bei den unterschiedlichen Gutachten anzulegen sind. Mehr oder weniger unterschiedliche Ergebnisse für beide Arten von Gutachten sind in gewissen Toleranzen unvermeidbar, worauf der BGH schon in einer Entscheidung vom 2. Juli 2004 – V ZR 213/03 – hingewiesen hatte. Ob eine Schätzungsabweichung vorliegt, ist nur nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls zu entscheiden.