Zulässigkeit einer beschränkten Anfechtungsklage
Die Anfechtungsklage kann auf einen abtrennbaren Teil des Beschlusses beschränkt werden. An der Abtrennbarkeit fehlt es jedoch grundsätzlich, wenn eine Sonderumlage um einen bestimmten Betrag reduziert werden soll. Eine in unzulässiger Weise beschränkte Anfechtungsklage ist im Zweifel als Anfechtung des ganzen Beschlusses auszulegen.
BGH, Urteil 19.10.2012, Az. V ZR 233/11
Sachverhalt
Die Wohnungseigentümerversammlung beschließt 2007, eine Schwammsanierung durchzuführen sowie in zwei Wohnungen eine Stahlbetonsohle einzuziehen. Die geschätzten Kosten von 120.000 bis 160.000 Euro sollen nach dem Verteilungsschlüssel umgelegt werden. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Nachdem Bedenken aufgekommen waren, wurde 2009 folgender Beschluss gefasst: „Die von der Versammlung angeforderten Umlagen zum 15.05.2008 über 100.000 € und zum 15.06.2008 über weitere 80.000 € werden ausdrücklich genehmigt. Von dieser Umlage dienen restliche 20.000 € zur Schwammsanierung und 160.000 € für die Sanierungen der Erdgeschosswohnungen 002 und 003. Die Umlagen sind, soweit sie noch nicht entrichtet wurden, zu zahlen bis zum 15.04.2009. Die Ausrechnung der Umlagen ist beigelegt, sie richtet sich nach den Miteigentumsanteilen.“ Ein Wohnungseigentümer beantragt, den Umlagebeschluss hinsichtlich der Kosten der Schwammsanierung in Höhe von 20.000 € und der Kosten der Sanierung der Erdgeschosswohnungen in Höhe von weiteren 37.000 € für unwirksam zu erklären. Das Amtsgericht und das Landgericht Hamburg weisen die Klage ab, weil einzelne Teilbeträge einer beschlossenen Sonderumlage nicht Gegenstand der Anfechtungsklage sein können und der Wohnungseigentümer die Anfechtung auf einen Teil des Beschlusses – unzulässiger Weise – beschränkt habe.
Entscheidung
Der BGH weist die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Hamburg zurück. Das Landgericht habe zu Unrecht die Anfechtungsklage wegen unzulässiger Teilanfechtung des Beschlusses für unzulässig erklärt. Der Wohnungseigentümer habe den Sonderumlagebeschluss insgesamt angefochten, seine Anfechtungsklage richte sich sowohl gegen den auf die Schwammsanierung der Wohnungen als auch gegen den auf die Sanierung der beiden Erdgeschosswohnungen entfallenden Umlagebetrag. Der Annahme einer unbeschränkten Anfechtung stehe nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des Klagantrages der Umlagebeschluss lediglich hinsichtlich der Kosten der Sanierung für unwirksam erklärt werden solle. Zwar könne die Anfechtung auf einen abtrennbaren Teil eines Beschlusses beschränkt werden. Bei der Anfechtung einer Abrechnung sei eine Beschränkung rechtlich möglich, wenn es sich um einen rechnerisch selbständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handele. An der erforderlichen Abtrennbarkeit des angefochtenen Beschlussgegenstandes fehle es jedoch, wenn sich die Anfechtungsklage allein gegen die Höhe einer Umlage richte. Würde eine Sonderumlage für unwirksam erklärt werden, soweit sie einen bestimmten Betrag übersteige, würde sich der übrig bleibende Teil des Beschlusses inhaltlich von dem in der Versammlung gefassten Beschluss unterscheiden, da durch eine Reduzierung des Umlagebetrages das Finanzierungskonzept verändert worden wäre. Würde man die Partei im buchstäblichen Sinne ihres Wortlautes festhalten und den Klagantrag dahin gehend auslegen, verstünde man das Begehren in einem Sinne, der von vornherein keinen Erfolg haben könne. Das verstoße gegen den Auslegungsgrundsatz, wonach eine Partei mit ihrer Prozesshandlung im Zweifel das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig sei und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspreche. Deshalb liege auch eine Auslegung dahin gehend nahe, dass der Wohnungseigentümer den Beschluss zwar insgesamt anfechten wollte, seine materiell-rechtlichen Einwendungen aber auf die Höhe der beschlossenen Sonderumlage beschränken wolle. Ein Klagantrag dürfe ausgelegt werden. Die Auslegung diene gerade der Feststellung des Beantragten. Kommt eine Auslegung des Klagantrages abweichend von dessen Wortlaut in Betracht, sei das Gericht aber nicht nur zu einem Hinweis verpflichtet, sondern müsse sich vergewissern, dass seine Auslegung des Klagantrages dem Willen des Klägers entspreche. An der notwendigen Aufklärung des von dem Kläger Gewollten fehle es vorliegend. Der BGH hat demgemäß die Sache an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.
Fazit
Mit dieser bedeutsamen Entscheidung stärkt der BGH die Rechtstellung der Wohnungseigentümer. Bei den sich für den klagenden Wohnungseigentümer ergebenden Schwierigkeiten, Anfechtungsklagen einzugrenzen, damit jedenfalls der Teil der Beschlüsse, der nicht angegriffen werden soll, im Bestandskraft erwachsen kann, ist es – auch – Sache des Gerichts, das vom Kläger Gewollte aufzuklären.