Volle Nutzungsentschädigung nach Beendigung des Mietverhältnisses. Eine Herabsetzung der vom Mieter nach Vertragsbeendigung zu zahlenden Nutzungsentschädigung wegen einer eingetretenen Verschlechterung der Mietsache, die beim Fortbestehen des Mietvertrags eine Minderung der Miete zur Folge gehabt hätte, ist rechtlich grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahme: Wenn der Vermieter nach Treu und Glauben ausnahmsweise eine nachvertragliche Pflicht zur Beseitigung von Mängeln der vorenthaltenen Mietsache tritt.
BGH, Urteil vom 27.05.2015, XII ZR 66/13
Sachverhalt
In dem durch drei Instanzen geführten Rechtsstreit hat der Bundesgerichtshof jetzt über die
Berechtigung des Vermieters auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung nach Beendigung des
Mietverhältnisses über Geschäftsräume entschieden und die Einwendungen des beklagten
Mieters wegen Mängel der Mietsache (hier: Wasserschäden) und eines sich hieraus
ergebenden Minderungsanspruchs zurückgewiesen. Schon 1960 hatte der BGH die
maßgebliche Rechtsfrage dahingehend entschieden, dass es für den Anspruch des Vermieters
auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung unerheblich ist, ob sich der Mietwert der
vorenthaltenen Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses (weiter) verringert habe,
vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1960, VIII ZR 16/60. Die Verpflichtung des Vermieters, seinem
Mieter den vertragsmäßigen Gebrauch der Mietsache fortgesetzt zu gewähren, entfalle mit
Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter dürfe daher trotz weiterer Verschlechterung
der ihm vorenthaltenen Mietsache den letzten Mietzins als „Mindestschaden“ weiter fordern.
Entscheidungsgründe
Ausführlich befasst sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung dabei auch mit der
Kritik des Schrifttums an dem BGH-Urteil vom 07.12.1960. Der teilweise in der Literatur
vertretenen Auffassung könne nicht gefolgt werden, und zwar schon deshalb nicht, weil mit
Beendigung des Mietverhältnisses insbesondere die Pflicht des Vermieters erlischt, die
Mietsache in einem vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Der frühere Mieter habe im
Rahmen des Abwicklungsverhältnisses nach allgemeiner Ansicht grundsätzlich keinen
Anspruch mehr auf Mängelbeseitigung gegen den Vermieter. Die Richter des XII. Senats
begründen ihre Rechtsauffassung auch mit den Motiven zum Entwurf des Bürgerlichen
Gesetzbuches, in denen die besondere Bedeutung der Vorschrift darin gesehen worden war,
den Anspruch des Vermieters auf Nutzungsentschädigung in der Vorenthaltungszeit „ein für
alle Mal“ auf einen Mindestbetrag zu bestimmen und Streitigkeiten zwischen den früheren
Vertragsparteien über die Höhe dieses Anspruchs „in ebenso einfacher, wie angemessener Weise abzuschneiden“. Aus den gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch ergäbe
sich, dass dem Vermieter ein leicht durchsetzbarer Ersatzanspruch zu gewähren ist, der in
seiner Höhe weder davon abhängig ist, ob und inwieweit dem Vermieter aus der
Vorenthaltung der Mietsache ein wirtschaftlicher Schaden erwachsen ist, noch davon, ob der
Mieter aus der vorenthaltenen Mietsache einen dem Wert der von ihm zu entrichtenden
Nutzungsentschädigung entsprechenden Nutzen hat ziehen können. Damit stünde es nicht im
Einklang, wenn sich der Vermieter in der Vorenthaltungszeit generell mit der Einwendung
auseinandersetzen müsste, dass der frühere Mieter wegen einer nachträglichen
mangelbedingten Verschlechterung der Mietsache keinen ausreichenden Gegenwert für die
von ihm verlangte Nutzungsentschädigung mehr erhalte. Der Mieter selbst habe es in der
Hand, sich durch die geschuldete Herausgabe seiner Verpflichtung zur Zahlung von
Nutzungsentschädigung zu entledigen, wenn ihm die als Nutzungsentschädigung zu zahlende
vereinbarte Miete angesichts des Zustands der Mietsache zu hoch ist.
Anmerkung
Zu der hier zu beurteilenden Rechtsfrage hat der BGH seine seit 1960 gefestigte
Rechtsprechung nicht verändert, sondern sie erneut noch einmal deutlich bestätigt.
Zutreffend weist der BGH in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass durch den
Ausschluss der Minderung dem Anspruch auf Nutzungsentschädigung kein Sanktionierungsoder
Bestrafungscharakter beigelegt wird, der mit einer vertraglichen oder vertragsähnlichen
Natur nicht in Einklang zu bringen wäre. Das schuldrechtliche Verhältnis der Vertragsparteien
in der Vorenthaltungszeit sei nur noch auf Abwicklung und damit Rückgabe der Mietsache
angelegt, die allein vom Willen des Mieters abhängig ist. Schon in seinem Urteil vom
07.12.1960 hatte der XII. Senat darauf hingewiesen, dass es den Mieter nur in seinem Willen
zur weiteren – widerrechtlichen – Vorenthaltung der Mietsache bestärken würde, könne er sich
in der Vorenthaltungszeit auf jede weitere Verschlechterung der Mietsache berufen, um damit
eine Kürzung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung zu erreichen. Zu Recht stellt der BGH
daher strenge Anforderungen an diejenigen Fälle, in denen die fortgesetzte Vorenthaltung der
Mietsache durch den früheren Mieter „in einem milderen Licht“ erscheint und eine
Mängelbeseitigungspflicht des Vermieters als nachvertragliche Verpflichtung zur Erhaltung des
vertragsgemäßen Gebrauchs angesehen werden kann.