Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in reinem Wohngebiet nicht zulässig
VG Hamburg, Beschluss vom 12.02.2016, Az. 7 E 6816/15
Sachverhalt
Auf einem 32.000 m² großen Grundstück in einem reinen Wohngebiet, welches früher bei
einer Maximalauslastung von 240 Personen zur öffentlichen Unterbringung von Aussiedlern
genutzt wurde, beabsichtigte die Stadt eine Nutzung als Erstaufnahmeeinrichtung für
Asylbewerber. Geplant war die Errichtung von Wohncontainern für bis zu 952 Personen.
Hiergegen legten die Anwohner Beschwerde ein.
Entscheidungsgründe
Das Verwaltungsgericht Hamburg gab den Einwendungen der Eigentümer der angrenzenden
Grundstücke größtenteils Recht. Die Nachbarn, deren Grundstücke innerhalb desselben
Baugebiets liegen, seien in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. In einem reinen
Wohngebiet seien lediglich Wohngebäude sowie Anlagen zur Kinderbetreuung zulässig.
Anlagen zur öffentlichen Unterbringung von Asylbewerbern stellen hingegen keine
Wohnnutzung dar. Die in § 3 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen für Anlagen für
soziale Zwecke sähen nur kleine, gebietstypische Anlagen vor. Alles andere stelle aufgrund zu
erwartender gebietsunverträglicher Störungen eine gebietsfremde Nutzung dar und sei somit
unzulässig.
Auch eine Befreiung nach § 246 Abs. 12 BauGB lehnt das Verwaltungsgericht ab, wonach bis
zum 31.12.2019 eine auf drei Jahre befristete Befreiung vom Bebauungsplan möglich sei,
wenn – so die gesetzliche Vorgabe – diese mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Dabei
verlange die Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen, dass die Grundzüge der Planung nicht
verletzt werden dürfen. Da diese Anforderung vorliegend nicht gewahrt werden könne, sei
eine Befreiung ausgeschlossen.
Praxishinweis
Die auf den ersten Blick weitläufig erscheinende Befreiung vom Bebauungsplan gemäß § 246
Abs. 12 BauGB öffnet nicht den Weg zu einer unkontrollierten Unterlaufung
gebietstechnischer Interessen. In jedem Fall ist stets eine Einzelfallprüfung notwendig. Zu
beachten bleibt allerdings das Vorliegen eines Gebietserhaltungsanspruchs, welcher
ausschließlich Nachbarn desselben Baugebiets und nicht zwingend allen territorial
betrachteten Nachbarn zusteht.