Die Grenzen der Vergemeinschaftung von Unterlassungsansprüchen
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann Unterlassungsansprüche, die dem einzelnen Wohnungseigentümer zur Abwehr von Störungen im räumlichen Bereich seines Sondereigentums zustehen, auch dann nicht durch Beschluss an sich ziehen, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind.
BGH, Urteil vom 24.01.2020; V ZR 295/16
Sachverhalt
In einer Wohnungseigentumsanlage hat der Mieter einer Wohnung diese zeitweise an Personen weitervermietet, die sich in einer nahegelegenen Klinik in Behandlung begeben („Medizintouristen“). Von den Untermietern sollen Lärm- und Geruchsbelästigungen ausgehen. In zwei Eigentümerversammlungen beschlossen die Wohnungseigentümer unter anderem, dass die Gemeinschaft die Unterlassungsansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer wegen Lärm- und Geruchseinwirkungen auf deren Sondereigentumseinheiten sowie Ansprüche auf Unterlassung einer zweckwidrigen Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb durchsetzen soll (Vergemeinschaftung der Ansprüche). Die Eigentümerin der über der umstrittenen Wohnung gelegenen Einheit verlangt vom Mieter der Wohnung, Lärm- und Geruchsemissionen sowie die Nutzung der Wohnung als Pensionsbetrieb zu unterlassen. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage als unzulässig abgewiesen. Wegen der Vergemeinschaftung der Ansprüche sei eine einzelne Eigentümerin nicht mehr klagebefugt.
Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des Oberlandesgerichts teilweise auf und verweist den Rechtsstreit dorthin zurück. Die Eigentümerin ist klagebefugt, soweit sie Ansprüche auf Unterlassung von Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen in ihrem Sondereigentum geltend macht. Solche, den räumlichen Bereich des Sondereigentums betreffende Ansprüche kann die Gemeinschaft nicht durch Beschluss an sich ziehen. Insoweit fehlt den Eigentümern die Beschlusskompetenz und ein solcher Beschluss ist nichtig. Eine Vergemeinschaftung ist auch dann nicht möglich, wenn zugleich das Gemeinschaftseigentum von den Störungen betroffen ist. In einem solchen Fall können nur die Ansprüche vergemeinschaftet werden, die auf die Abwehr der Störungen des Gemeinschaftseigentums gerichtet sind. Hingegen gehört es zu den unentziehbaren Rechten eines Sondereigentümers, Beeinträchtigungen seines Sondereigentums abwehren zu können. Daher kann jeder Eigentümer Unterlassungsansprüche in Bezug auf sein Sondereigentum selbst durchsetzen. Bestand hat das Urteil hingegen bezüglich des Antrags auf Unterlassung einer Nutzung als Pensionsbetrieb. Die Eigentümerin war insoweit nicht prozessführungsbefugt, denn die Gemeinschaft hat die Durchsetzung des Anspruchs wirksam an sich gezogen. Die Vergemeinschaftung der Ansprüche der Wohnungseigentümer auf Unterlassen einer zweckwidrigen Nutzung eines Wohnungseigentums ist zulässig. Die hierfür notwendige Voraussetzung, dass die Rechtsausübung durch den Verband dem Gemeinschaftsinteresse förderlich ist, besteht unabhängig davon, ob die zweckwidrige Nutzung nachteilige Auswirkungen auf das Gemeinschaftseigentum hat oder ob sie sich auf die mittelbare Beeinträchtigung des Sondereigentums der übrigen Wohnungseigentümer beschränkt. In beiden Fällen sind die Unterlassungsansprüche darauf gerichtet, die in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Zweckbestimmung durchzusetzen und damit der für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander maßgeblichen Grundordnung Geltung zu verschaffen. Hierbei ist ein einheitliches Vorgehen dem Gemeinschaftsinteresse förderlich. Nach der Vergemeinschaftung ist allein der Verband befugt, diese Ansprüche durchzusetzen.
Fazit
Der BGH macht deutlich, dass stets ein Gemeinschaftsbezug bestehen muss, wenn die Gemeinschaft Abwehransprüche an sich ziehen will – für auf das Sondereigentum bezogene Störungen bleiben die einzelnen Sondereigentümer stets klagebefugt.