Verletzung der gesetzlichen Schriftform in einem befristeten Pachtverhältnis durch eine Nachtragsvereinbarung, die unterhalb der Unterschriften des Pachtvertrages wiedergegeben wird
OLG Köln, Urteil vom 04.10.2019; 1 U 83/18
Sachverhalt
Mit einem schriftlichen Pachtvertrag wird ein Gastronomiebetrieb mit pächterseitigen Optionsrechten längerfristig verpachtet. Kurze Zeit nach dem Pachtbeginn kommt es zu einer streitigen Auseinandersetzung über die Beschaffung einer erforderlichen Nutzungsänderungsgenehmigung und aufgrund von Mängeln des Pachtobjekts. Der Verpächter tritt den Forderungen des Pächters mit einer Kündigung des Vertragsverhältnisses entgegen und meint, dass aufgrund der fehlenden Wahrung der gesetzlichen Schriftform das Pachtverhältnis als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt und frei kündbar ist. Die Vertragsparteien hatten nach Abschluss des Pachtvertrages eine ergänzende Vereinbarung geschaffen, deren Vertragsklauseln unterhalb der Unterschriften des Pachtvertrages aufgenommen wurden.
Entscheidung
Der Befreiungsschlag des Verpächters gelingt und dieser kann sich der an sich bestehenden Verpflichtung zur Beibringung der Nutzungsänderungsgenehmigung und der Instandsetzungspflicht durch Kündigung des Vertragsverhältnisses entziehen. Für das Pachtrecht finden insoweit die Vorgaben des Mietrechts entsprechende Anwendung, § 581 Abs. 2 BGB. Bei Miet- und Pachtverhältnissen, die für eine längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden, muss die gesetzliche Schriftform gewahrt werden, anderenfalls gilt das Vertragsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen und die Kündigung ist sodann frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung der Pacht- oder Mietsache zulässig. Das OLG Köln hat für Recht erkannt, dass der Pächter seine an sich bestehenden Ansprüche auf vertragsgerechte Herstellung der Pachtsache nicht mehr durchsetzen kann, da der Verpächter das Mietverhältnis wirksam gekündigt hat. Das OLG Köln hält fest, dass für die Wahrung der Schriftform die Anfertigung einer von beiden Parteien unterschriebenen Vertragsurkunde ausreicht, wenn die Vertragsurkunde von beiden Seiten eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet wird. Die Unterschriften müssen den gesamten Vertragsinhalt decken und den Vertragstext räumlich abschließen. Den Vertragsparteien steht es ohne weiteres offen, nachträglich weitergehende Vereinbarungen zu treffen und solche Vereinbarungen können auch grundsätzlich auf der bereits unterschriebenen Vertragsurkunde nach den Unterschriften aufgebracht werden, sodann muss jedoch eine erneute Unterzeichnung durch beide Vertragsteile erfolgen. Zur Wahrung der gesetzlichen Schriftform reicht es hingegen nicht aus, dass unterhalb bereits vorhandener Unterschriften sich noch weitere Vertragsbestimmungen finden. Aufgrund dieses Formmangels wird nunmehr das gesamte Vertragsverhältnis für beide Vertragsseiten frei kündbar und endet aufgrund der verpächterseitigen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist.
Dem Einwand des Pächters, dass die Kündigung ihrerseits gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, folgt das OLG Köln nicht. Eine Kündigungserklärung kann zwar rechtsmissbräuchlich sein, bei der Verletzung der gesetzlichen Schriftform wird dies allerdings nur dann angenommen, wenn der Vertragspartner schuldhaft von der Wahrung der gesetzlichen Schriftform abgehalten wurde oder sich der Kündigende sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition die Existenz des anderen Vertragspartners bedroht. Eine solche Feststellung hat das OLG Köln hingegen nicht getroffen, so dass das Pachtverhältnis wirksam gekündigt wurde, und die Ansprüche des Pächters auf Herstellung des vertragsgerechten Zustandes untergehen ließ.
Fazit
Die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung zu Schriftformverstößen in langjährig angelegten Miet- und Pachtverhältnissen erscheint zwischenzeitlich nahezu unübersehbar und die zu entscheidenden Konstellationen zeigen auf, dass die Vertragsparteien in der vertraglichen Praxis insbesondere nach Abschluss des Hauptvertrages die Wahrung der gesetzlichen Schriftform für nachfolgende Abreden aus den Augen verlieren. Bei der Verletzung der Schriftform lässt sich indes einer eingetroffenen Kündigung in der Regel nichts entgegensetzen, so dass in der Vertragspraxis insbesondere auch bei nachträglichen Vereinbarungen die Schriftform stets durch Unterzeichnung entsprechender Nachtragsvereinbarungen gewahrt werden muss. Da die Schriftformkündigungen – wie hier – häufig an sich bestehende Rechtspositionen des Vertragspartners untergraben können, besteht ein Missbrauchspotential dem aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage indes nichts entgegengehalten werden kann, sofern nicht eine deutliche Treuwidrigkeit nachzuweisen ist. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat zwischenzeitlich im Hinblick auf die umfangreiche Befassung mit dieser rechtlichen Thematik eine Reform der Schriftformvorgabe bei dem Bundesgesetzgeber angeregt, bis zu einer etwaigen Reform des § 550 BGB verbleibt indes lediglich der Appell der besonderen Sorgfalt in Schriftformangelegenheiten.