Stellt ein den technischen Maßnahmenwert überschreitender Legionellen-Befund in einem Mietobjekt einen Mangel gemäß § 536 Abs. 1 BGB dar?
- Ein Mangel der Mietsache liegt dann vor, wenn die Trinkwasserversorgungsanlage der Mietsache so stark von Legionellen befallen ist, dass der technische Maßnahmenwert von 100KbE/100 ml (Anlage 3 Teil II TrinkwV) überschritten wird. Ausreichend ist dabei bereits die begründete Besorgnis des Mieters hinsichtlich einer legionellen-bedingten Gesundheitsgefährdung, die sich aus der Überschreitung des Maßnahmenwertes ergibt. Konkret führt dieser Mangel zu einer Beeinträchtigung des Wohngebrauches, der in einer Mietminderung von (mindestens) 10 % resultieren kann.
- Der Mangel bleibt bestehen, bis der Mieter hinsichtlich seiner Gefahrenbesorgnis nachvollziehbar entwarnt worden ist, beispielsweise durch eine erneute Untersuchung des Trinkwassers.
LG Berlin, Urteil vom 17.06.2021; 67 S 17/21 (nicht rechtskräftig)
Sachverhalt
Die Klägerin ist Mieterin in einem Wohnobjekt, in dem im Zeitraum vom 05.03.2014 bis zum 17.06.2021 ein nachgewiesener Legionellen-Befall existierte. Daraufhin ließ sie Ende 2017 und Anfang 2018 eine Gefährdungsanalyse durchführen, die zu dem Ergebnis kam, dass die Belastung innerhalb ihrer Wohnung mit der Risikoklasse 4 (signifikant) bis 6 (hoch) und außerhalb der Wohnung mit der Risikoklasse 7 (sehr hoch) zu beziffern ist. In Folge dessen wurden ihr bzw. dem Vermieter konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Befalles empfohlen. Die Mieterin macht Mietminderung in Höhe von 10% für den entsprechenden Zeitraum geltend. Die Klage wurde in erster Instanz vom Amtsgericht abgelehnt, da der gerichtlich bestellte Sachverständige keine akute Gesundheitsgefährdung feststellen konnte. Die Mieterin legt Berufung zum Landgericht Berlin ein.
Entscheidung
Das Landgericht Berlin hebt das Urteil des Amtsgerichts auf und gibt der Klage statt. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass es für einen Mangel an der Mietsache keiner nachgewiesenen Gesundheitsgefährdung oder gar einer Erkrankung bedürfe. Ausreichend sei allein die Besorgnis hinsichtlich einer nicht unerheblichen Gesundheitsgefährdung bzw. die Tatsache, dass eine solche Gesundheitsgefährdung im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden könne. Dies führe, so das Berufungsgericht, schon zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohngebrauches, da die Mieterin in ständiger Besorgnis lebe, durch die Verwendung des Wassers in ihrer Wohnung einer Gefährdung ihrer Gesundheit ausgesetzt zu sein.
Fazit
Bei einem nachgewiesenen Legionellen-Befall, der den Maßnahmenwert von 100 kbE/100ml überschreitet, ist jedenfalls dann, wenn sich aus der bloßen Feststellung, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen werden kann, ein Minderungsrecht gegeben. Einzige Möglichkeit des Vermieters, diese Vermutung zu widerlegen, ist eine Entwarnung in Form einer erneuten Trinkwasseruntersuchung, die dann die Einhaltung des Maßnahmenwertes sicherstellt.