Newsletter Wohnungseigentumsrecht

Beschlussanfechtungsklage durch Nießbraucher

Dem Nießbraucher von Wohnungseigentum steht die Befugnis zur Anfechtung eines von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses nicht zu. Erhebt ein Dritter (hier: Nießbraucher), der von dem Wohnungseigentümer hierzu ermächtigt worden ist, Beschlussanfechtungsklage, ist diese zwar zulässig, wenn die Voraussetzungen der Prozessstandschaft im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung objektiv vorliegen und vorgetragen sind. Begründet kann sie – vorbehaltlich etwaiger Nichtigkeitsgründe – aber nur sein, wenn die Ermächtigung zur Prozess­führung bereits innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG objektiv vor­liegt und offengelegt wird oder offensichtlich ist.

BGH, Urteil vom 27.11.2020; V ZR 71/20

Sachverhalt

Die Eigentümer einer Wohnung hatten ihr Wohnungseigentum im Jahr 2001 auf ihre Tochter übertragen und sich einen Nießbrauch an der Wohnung vorbehalten. In einer Eigentümerver­sammlung am 07.06.2018 beschlossen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit, ein bestimmtes Unternehmen mit der Pflege der Außenanlage zu beauftragen. Hiergegen haben die Nießbraucher Anfang Juli 2018 Anfechtungsklage eingereicht. Im September 2018 teilten sie dem Gericht die Eigentumsübertragung aus dem Jahr 2001 mit und reichten eine auf 2001 datierte Vollmacht ihrer Tochter ein, laut der sie berechtigt sind, deren Rechte in Gerichtsver­fahren als Prozessstandschafter im eigenen Namen geltend zu machen.

Entscheidungsgründe

Der BGH hält die Klage für zulässig, aber unbegründet. Grundsätzlich darf eine Anfechtungs­klage nur von einem Wohnungseigentümer erhoben werden, also von demjenigen, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist. Einem Nießbraucher hingegen steht ein eigenes Anfechtungsrecht nicht zu. Daran ändert auch der dingliche Charakter des Nießbrauchs nichts. Ein Nießbraucher kann jedoch vom Wohnungseigentümer zur Erhebung der Anfechtungsklage ermächtigt werden. Dann ist er als gewillkürter Prozessstandschafter anfechtungsberechtigt. Das erforderliche eigene schutzwürdige Interesse an dieser Art der Prozessführung ist für den Nießbraucher des Wohnungseigentums im Hinblick auf dessen umfassende Nutzungsbefugnis regelmäßig gegeben. Dementsprechend ist die Anfechtungsklage zulässig, weil die Nieß­braucher von ihrer Tochter ermächtigt sind, deren Rechte in eigenem Namen geltend zu machen. Die Klage ist aber unbegründet, weil die Nießbraucher bei der Klageerhebung nicht Wohnungseigentümer waren und nicht rechtzeitig offengelegt haben und auch nicht offen­sichtlich war, dass sie die Klage in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümerin er­heben. Erhebt ein Dritter als Prozessstandschafter für einen Wohnungseigentümer Anfech­tungsklage, muss die Ermächtigung zu dieser Prozessführung bereits innerhalb der einmona­tige Klagefrist des § 46 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 WEG objektiv vorliegen und offengelegt oder offen­sichtlich sein. Anderenfalls ist die Klage als unbegründet abzuweisen, sofern keine Nichtig­keitsgründe vorliegen. Nicht ausreichend ist es, die Prozessstandschaft innerhalb der zwei­monatigen Klagebegründungsfrist offenzulegen. Sinn und Zweck der Anfechtungsfrist ist, für die Wohnungseigentümer und für den zur Ausführung von Beschlüssen berufenen Verwalter zumindest im Hinblick auf Anfechtungsgründe alsbald Klarheit darüber zu schaffen, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher tatsächlichen Grundlage gefasste Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden. Hierzu gehört auch die Frage, ob die Klage von einer anfechtungsberechtigten Person erhoben wurde. Diesbezügliche Klarheit besteht erst ab dem Zeitpunkt, in dem die Prozessstandschaft offengelegt wird, da erst dann ersichtlich ist, dass die Berechtigung zur Klage auf eine Ermächtigung durch einen Wohnungseigentümer gestützt wird. Hiervon ausgehend hätten die Nießbraucher innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist (bis 09.07.2018, da der 07.07. auf einen Samstag fiel), offenlegen müssen, dass sie in Prozessstandschaft für die Wohnungseigentümerin klagen. Dies haben sie aber erst im September getan, mithin verspätet.

Entscheidung

Der BGH bejaht eine andauernde Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung über einen entgegenstehenden Willen der WEG zur Kenntnis gebracht wird. Die Unzulässigkeit der Klage hätte zur Folge, dass seit mehreren Jahren und eventuell über mehrere Instanzen geführte Prozesse gänzlich nutzlos und im Ergebnis nur mit Zeit und Kostenaufwand verbunden gewesen wären. Die Übergangsregelung in § 48 Abs. 5 enthalte eine Regelungslücke, wofür auch die Tatsache sprechen würde, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung keinerlei Erläuterungen zu einer Rechtsfolge der unechten Rückwirkung abgegeben hat. Dies wäre aber in Anbetracht des Ausmaßes und der Vielzahl der betroffenen Verfahren zu erwarten gewesen, wenn er sich dieser Konsequenzen bewusst gewesen wäre. Hätte der Gesetzgeber die Regelungslücke erkannt, hätte er sie mit einer Regelung ge­schlossen, die sich an der Vorschrift des § 48 Abs. 5 WEG orientiert, zugleich aber auch den Rechtsgedanken des § 9a Abs. 2 WEG einbezogen, der die Ansprüche der WEG zuordnet. Der Übergangsregelung liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass die Gesetzesände­rungen bereits laufende Verfahren unberührt lassen sollen. Daraus muss folgen, dass die WEG bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigen­tümer die Fortführung untersagen kann, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen will. Solange dem Gericht allerdings ein solcher ent­gegenstehender Wille nicht zur Kenntnis gebracht worden wird gilt die Prozessführungsbe­fugnis des Wohnungseigentümers fort.

Fazit

Ein Dritter kann zwar anstelle des Eigentümers für ihn Anfechtungsklage erheben, wenn er von diesem hierzu ermächtigt ist. Allerdings muss er dann darauf achten, dass diese Ermäch­tigung auch vor Ablauf der Klagebegründungsfrist offengelegt wird.

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