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Vermieter muss Eigenbedarf auf fünf Jahre voraussehen können

LG Lüneburg, Urteil vom 07.12.2011, 6 S 79/11

Sachverhalt

Der Vermieter kündigt seinem Mieter im Mai 2010 die Wohnung wegen Eigenbedarfs für seine
Kinder. Der Mietvertrag datiert aus dem Monat November 2008. Der Mieter widerspricht und
begründet seinen Widerspruch damit, dass der Eigenbedarf bei Abschluss des Mietvertrages
für den Vermieter voraussehbar gewesen sei. Das Amtsgericht weist die Klage ab, die
Berufung zum Landgericht Lüneburg bleibt erfolglos.

Entscheidung

Eine Eigenbedarfskündigung darf nicht auf einen Bedarf gestützt werden, der bereits bei
Abschluss des Mietvertrages vorhersehbar war, wenn die Kündigung vor Ablauf von fünf
Jahren nach Vertragsschluss ausgesprochen wird. Die Lüneburger Richter betonen in ihrem
Urteil, dass es nicht erforderlich ist, dass der Vermieter den künftigen Bedarf genau kannte.
Vielmehr reiche es aus, wenn der Vermieter den künftigen Bedarf bei vorausschauender
Planung hätte in Erwägung ziehen müssen. Ein Vermieter, der zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses drei zum Haushalt gehörende Kinder im Alter zwischen 14 und 19 Jahren
habe, müsse auch damit rechnen, dass sich jedenfalls eines der Kinder in absehbarer Zeit
(innerhalb der nächsten fünf Jahre) selbstständig machen und aus dem Elternhaus ausziehen
werde. Dies gelte insbesondere für den ältesten Sohn, für den Eigenbedarf geltend gemacht
worden sei. Nach einer vorausschauenden Betrachtung hätte der Vermieter in Erwägung
ziehen müssen, dass sein erwachsender Sohn in dem maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren
eine Freundin kennen lernen und den Wunsch hegen würde, mit dieser zusammen zu ziehen.
Hierbei handele es sich um einen „normalen Vorgang“, mit dem nach der Lebenserfahrung zu
rechnen sei. Wenn der Sohn bei seinen Eltern in einem 14 m² großen Zimmer wohne, müsse
auch der Vermieter damit rechnen, dass sein Sohn in absehbarer Zeit insbesondere bei
Zusammenzug mit einer Freundin nicht im Elternhaus verbleiben würde. Dass der Sohn des
Vermieters im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages noch nicht den späteren
Ausbildungsplatz hatte und noch zur Schule ging, spiele keine Rolle; vielmehr habe der
Vermieter bei der gebotenen vorausschauenden Betrachtung mit einbeziehen müssen, dass
der Sohn eine Möglichkeit zur Ausbildung zum Steuerfachgehilfen und anschließender
Erwerbstätigkeit im pendelbaren Umkreis zur streitgegenständlichen Wohnung haben würde.

Die Verpflichtung des Vermieters, den künftigen Eigenbedarf auf fünf Jahre zu planen, sei
auch nicht unverhältnismäßig, denn der Vermieter habe ja die Möglichkeit, einen befristeten
Vertrag gemäß § 575 BGB abzuschließen, wobei bei der Angabe des Grundes die
Formulierung, dass der Vermieter die Wohnung „einen seinen Kinder“ überlassen will,
ausgereicht hätte.

Fazit

Die Entscheidung des Landgericht Lüneburg bestätigt die bisherige höchstrichterliche
Rechtsprechung. Danach setzt sich der Vermieter zu seinem eigenen Verhalten in
Widerspruch, wenn er eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder
entschlossen oder zumindest erwägt, diese alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen (BGH vom
13.4.2010, VIII ZR 180/09). Er darf dem Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet,
die mit jedem Umzug verbundenen Belastungen dann nicht zumuten, wenn er ihn über die
Absicht oder zumindest die Aussicht begrenzter Mietdauer nicht aufklärt (so auch BGH vom
6.7.2010, VIII ZR 180/09). Dies ist nach der Entscheidung des Landgericht Lüneburg ein
Gebot der Vorsicht, denn über hellseherische Fähigkeiten verfügen auch Vermieter nicht.

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